Viele Eltern hatten demonstriert – und die Fraktionen des Wendlinger Gemeinderats haben verstanden: bei der Grundschulbetreuung gibt es nun eine Wahlmöglichkeit.
Vom Schuljahr 2026/27 an haben Grundschuleltern in Wendlingen die Wahl – ob ihre Kinder ihr Recht auf Ganztagesbetreuung in Anspruch nehmen oder nicht. Die Entscheidung fiel zwar bei einer Enthaltung fast einstimmig, allerdings mit Bauchweh: So betonten alle Fraktionen sowie die Verwaltung, dass sie die Einführung des Ganztagesanspruchs in verbindlicher Form besser gefunden hätten.
Vorausgegangen waren Proteste der Eltern, die auf ihr Wahlrecht pochten, inklusive Unterschriftensammlung und Kundgebung. Die Entscheidung sei ein Kompromiss, um den gesellschaftlichen Frieden in der Stadt zu bewahren und die Ganztagsgrundschule nicht von vorneherein mit Konflikten zu belasten, erklärte Wendlingens Bürgermeister Steffen Weigel. Knackpunkt war, dass der Gesetzgeber den Eltern ein grundsätzliches Wahlrecht einräumt: Werden in einer Kommune alle Grundschulen verbindlich im Ganztagesbetrieb geführt, wie es in Wendlingen der Fall wäre, können die Eltern einen Schulbezirkswechsel beantragen. Das würde aber mit einem Ortswechsel einhergehen. „Dies ist für viele, auch für mich, nur sehr schwer vorstellbar“, sagte Weigel.
Kompromiss bei der Ganztagsschule in Wendlingen
Damit lag der Verwaltungschef auf einer Linie mit allen Fraktionen, Eltern nicht vor die Frage eines Schulbezirkswechsels zu stellen, wie auch der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Bernd Dieterle, betonte. Eine Ganztagsgrundschule sei gleichwohl sehr sinnvoll, um zusätzliche Förderbedarfe abzudecken: „Bei einer verbindlichen Form würde das allen Kindern zu Gute kommen“, sagte er. Die Entscheidung für die offene Form ist für Dieterle nur ein Kompromiss, um in den Ganztagsbetrieb einzusteigen. „Das Land hat sich die Entscheidung einfach gemacht und die Entscheidung auf die Kommunen abgewälzt“, beklagte dabei der SPD-Chef Ansgar Lottermann. Für die verbindliche Form spreche neben einer guten Planbarkeit für Schulen und Eltern auch eine bessere Rhythmisierung des Unterrichts, zudem bliebe der Klassenverband erhalten.
„Ich hoffe, dass diese Schulform mit großer Motivation angenommen wird und sich so gestaltet, dass es doch noch zu einer verbindlichen Form wird“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kleefeldt. Es fehle noch an Vertrauen seitens der Elternschaft, dass ein Ganztagesbetrieb gelingen könne, meinte Ursula Vass-Hochradl. Die Schulen müssten nun Überzeugungsarbeit leisten, dass die Eltern von sich aus gerne einsteigen, forderte die Grünen-Vorsitzende.
Betreuung wird in Wendlingen stufenweise eingeführt
Laut Beschluss können Wendlinger Grundschüler ab dem Schuljahr 2026/27 an drei Tagen in der Woche eine kostenlose Betreuung à sieben Stunden in Anspruch nehmen. Darüber hinaus wird es eine kostenpflichtige Frühbetreuung sowie ebenfalls kostenpflichtige Angebote in der übrigen Zeit geben. Die stufenweise geplante Einführung beginnt mit den Erstklässern, die 2026/27 eingeschult werden. Stufenweise bedeutet, dass von August 2026 an zunächst alle Kinder der ersten Klasse einen Anspruch auf eine ganztägige Betreuung haben. Der Anspruch wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe erweitert – sprich ab dem Schuljahr 2029/30 soll jedes Grundschulkind seinen Anspruch wahrnehmen können.
Laut Rathauschef Steffen Weigel soll die Wendlinger Ganztagsgrundschule in Wahlform qualitativ so hochwertig ausgestaltet werden, dass die Vorzüge des Modells nach und nach möglichst allen Eltern bewusst werden und sie ihre Kinder für die Ganztagesbetreuung anmelden. Vorteil aus Sicht des Bürgermeisters: „Der Gemeinderat hat die Möglichkeit in jedem Schuljahr neu zu entscheiden, ob er nicht doch ein verbindliches Modell einführen möchte.“