Palästinenserpräsident Mahmud Abbas spricht bei einem Treffen der Palästinenserführung in seinem Hauptquartier. Abbas hat ein Ende aller Vereinbarungen mit Israel und den USA erklärt. Foto: dpa/Alaa Badarneh

Mit der Ankündigung Israels zur Annexion von Teilen des Westjordanlandes scheint ein eigener Staat für die Palästinenser in noch weitere Ferne zu rücken. Ihr Präsident Abbas sieht seine Leute daher auch nicht mehr dazu verpflichtet, sich an Abkommen zu halten.

Ramallah - Die Palästinenser sehen sich nach Israels Ankündigung, weite Teile des Westjordanlandes zu annektieren, nicht mehr an bestehende Abkommen mit Israel oder den USA gebunden. „Die Palästinensische Befreiungsorganisation und der Staat Palästina sind den unterzeichneten Abkommen und Vereinbarungen mit der israelischen Regierung und der amerikanischen Regierung nicht länger verpflichtet, inklusive der Sicherheitsvereinbarungen“, erklärte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Dienstagabend. Israel müsse jetzt „vor der internationalen Gemeinschaft Verantwortung als besetzende Macht übernehmen“.

Die Oslo-Vereinbarungen und andere in den 1990er Jahren entstandene Abkommen hatten die palästinensische Autonomiebehörde geschaffen und regelten ihre politische, wirtschaftliche und sicherheitsrelevante Beziehung zu Israel. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat versprochen, das Jordantal und jüdische Siedlungen im Westjordanland zu annektieren, und beruft sich dabei auf den Nahostplan von US-Präsident Donald Trump, der für Israel vorteilhaft ist und von den Palästinensern abgelehnt wird.

Israel und die USA reagierten zunächst nicht

Abbas kündigte ebenfalls an, die Palästinenser würden ihre Bemühungen verstärken, internationalen Organisationen als Mitgliedstaat beizutreten. Israel und die USA reagierten zunächst nicht auf seine Ankündigungen.

Netanjahu hat mit seinem Rivalen Benny Gantz diesen Monat eine neue Regierung gebildet. Das Koalitionsabkommen erlaubt Netanjahu, einen Vorschlag zur Annexion am 1. Juli vorzulegen.

Israel nahm das Westjordanland und Ostjerusalem sowie den Gazastreifen 1967 im Krieg ein. Die Palästinenser fordern alle drei Territorien für ihren künftigen Staat. Trumps Plan gesteht ihnen vereinzelte Ansammlungen von Enklaven, umringt von Israel, zu.

Die internationale Gemeinschaft ist überwiegend gegen die Annektierung. Viele fürchten, dass die Bildung eines palästinensischen Staates dadurch unmöglich wird. Die Zwei-Staaten-Lösung wird allgemein als einziger Ausweg aus dem jahrzehntealten Konflikt gesehen.

Die Sicherheitsvereinbarungen dienen den Interessen sowohl Abbas’ als auch Israels. Sie beziehen sich überwiegend auf die islamistisch-militante Hamas. Israelische Truppen sind im Westjordanland stationiert und führen regelmäßig Razzien in palästinensischen Städten und Gemeinden durch, die sie normalerweise mit palästinensischen Sicherheitskräften koordinieren, um Zusammenstöße zu vermeiden. Auch die Palästinenser koordinieren ihre Aktionen mit Israel.

Abbas hat Gewalt immer abgelehnt

Abbas hat Gewalt immer abgelehnt. Es wird davon ausgegangen, dass er gegen bewaffnete Gruppen vorgehen würde, selbst wenn dies nicht mit Israel abgestimmt würde.

Die Palästinensische Autonomiebehörde regiert und bietet grundlegende Dienstleistungen in dicht bevölkerten Teilen des Westjordanlandes. Ein Abbau von diesen würde das Risiko von Chaos bergen und Zehntausende Beamte arbeitslos machen. Doch indem Abbas vom „Staat Palästina“ sprach, schien er Raum dafür zu lassen, dass die Behörde in gleicher Form unter einem anderen Namen weiterbesteht.

Die Vereinbarungen mit Israel regeln unter anderem auch die Ausstellung von Reisepässen und anderer offizieller Dokumente. Israel sammelt auch Steuern und Zölle im Namen der palästinensischen Autonomiebehörde ein, die den Großteil von deren Einnahmen ausmachen.