CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hat am Montag die Verschiebung des Bundesparteitags verkündet – nun hat er Post von seinem Stuttgarter Amtskollegen Manuel Hagel bekommen. Foto: dpa/Stefanie Loos

Die Absage des Stuttgarter Bundesparteitags am 4. Dezember und die Reaktion ihres Favoriten Friedrich Merz haben die Südwest-CDU aufgewühlt – in Krisensitzungen am Mittwochabend wurden Forderungen an die Berliner Parteispitze formuliert.

Berlin/Stuttgart - CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bekommt Post aus Stuttgart. In dem Brief, den ihm sein baden-württembergischer Amtskollege Manuel Hagel geschrieben hat, fordert die Südwest-CDU trotz der Corona-bedingten Terminprobleme eine möglichst schnelle Beantwortung der offenen Führungsfrage. „Der 33. Bundesparteitag soll schnellstmöglich, spätestens jedoch bis zum 15./16. Januar 2021, stattfinden“, heißt es in dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt: „Dieser Bundesparteitag muss die anstehenden Personalentscheidungen treffen.“

Es ist das Ergebnis zweier Krisensitzungen am Mittwochabend, zu denen Generalsekretär Hagel eingeladen hatte mit dem Ziel, die von den jüngsten Ereignissen aufgewühlte Landespartei wieder auf eine einheitliche Linie zu bringen. So debattierten Landesvorstand und die Runde aller Kreisvorsitzenden über die Absage des ursprünglich für den 4. Dezember geplanten Stuttgarter Bundesparteitags und die harten Vorwürfe, die der vom Landesverband unterstützte Kandidat für die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer in diesem Zusammenhang erhoben hatte: Nicht die in die Höhe geschnellten Corona-Zahlen, so Merz’ Anschuldigung an die Adresse des Partei-„Establishments“, sei der Grund für die Verschiebung, sondern „das Projekt ,Merz verhindern‘“.

Unterschiedliche Positionen in der Südwest-CDU

Die Bandbreite der Reaktionen im Landesverband war groß – und reichte von massiver Verärgerung über den wenige Monate vor den Landtagswahlen vom Zaun gebrochenen Streit über die reine Sorge vor einer Hängepartie in baden-württembergischen Wahlkampfzeiten bis hin zur Übernahme des Merz’schen Vorwurfs.

Der Brief „im Namen der CDU Baden-Württemberg“ stellt nun eine Art Minimalkonsens zwischen den unterschiedlichen Sichtweisen und Lagern dar: Die zentrale Personalfrage soll rechtzeitig vor der heißen Wahlkampfphase im Südwesten vom Tisch sein – über eine Abstimmung entweder online oder an verschiedenen Orten. „Kreativität und Beweglichkeit sind jetzt gefragt um ein modernes, digitales Format zu entwickeln, bei dem auch Wahlen sicher und einfach sind“, sagte Hagel unserer Zeitung: „Gleichsam habe ich ja gemeinsam mit Paul Ziemiak die Idee eines dezentralen Parteitags mit Urnenwahl eingebracht - für beides gibt es auch schon weitergehende Überlegungen.“ Gegen beide Vorschläge - die dezentrale wie die digitale - hatte es am Montag in der Bundesvorstandssitzung der CDU Bedenken gegeben, weshalb die Entscheidung über das weitere Vorgehen vertagt worden war.

Wahl aller Vorstandsmitglieder könnte Monate dauern

Ein digitales Treffen mit anschließender Briefwahl, wie von Merz vorgeschlagen, würde bei der Neuwahl aller CDU-Vorstandsmitglieder nach Berechnungen des Konrad-Adenauer-Hauses mehr als 70 Tage dauern. Um nur den Parteivorsitz neu zu wählen und damit einen deutlich kürzeren Briefwahlprozess zu bekommen, könnte Kramp-Karrenbauer nach der Vorstellung von Merz-Unterstützern auch mit sofortiger Wirkung zurücktreten und damit über ihre reine Rückzugsankündigung hinausgehen.

Ob eine rein digitale und trotzdem rechtsverbindliche Abstimmung überhaupt ohne Grundgesetzänderung möglich ist, lässt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble derzeit vom Wissenschaftlichen Dienst seines Hauses prüfen. Hagel ist der Meinung, das kürzlich aufgrund der Pandemie geänderte Parteiengesetz ermögliche dies bereits. Gegen eine Urnenwahl mit jeweils nur einem Teil der insgesamt 1001 Delegierten an verschiedenen Orten in Deutschland spricht aus Sicht mancher Vorstandsmitglieder, dass das Verbot durch die Gesundheitsbehörden an nur einem Ort reichen würde, um die gesamte Wahl zu torpedieren.

Die Südwest-CDU verzichtet mit ihren „dringenden Bitten“ in dem Brief an Ziemiak bewusst auf eine Eskalationsstufe, die die Parteisatzung vorsieht. Sechs Landesverbände können demnach mit entsprechenden Anträgen einen Parteitag erzwingen. Der baden-württembergische gehört erst einmal nicht dazu – die Möglichkeit wird, wenn überhaupt, als Rückfalloption gesehen, falls die Bundespartei nicht wie gewünscht auf den Brief reagieren sollte. Aber selbst die Forderung nach einer Wahl bis Mitte Januar ist nicht ultimativ. „Sollte dieses Verfahren aus sehr validen Gründen nicht möglich sein, muss schnellstmöglich für den 33. Bundesparteitag ein Termin um Ostern 2021 festgelegt werden“, lautet die vom Landesverband vorgeschlagene Rückfalloption. Wenn die Führungsfrage während des Südwestwahlkampfs schon offen bleiben müsste – so das Kalkül dahinter –, dann wenigstens keine Entscheidung in der heißen Phase, sondern unmittelbar nach der Landtagswahl, um dann noch maximal viel Zeit zur Vorbereitung der Bundestagswahl zu haben.