Auch in Florida richtete Hurrikan „Matthew“ Schäden an, doch im Vergleich zu Haiti war die Zerstörung äußerst gering. Foto: AP

Die befürchtete Katastrophe, die den Karibikstaat Haiti heimgesucht hat, bleibt in Florida aus. Die Behörden warnen jedoch: Die Gefahr ist noch nicht gebannt. In Haiti gibt es mittlerweile hunderte Tote zu beklagen.

Cape Canaveral - Hurrikan „Matthew“ ist am Freitag an der Atlantikküste von Florida vorbeigeschrammt. Die Kraft des Wirbelsturms reichte dennoch aus, um Bäume auf Häuser stürzen zu lassen. Mehr als 800 000 Menschen standen ohne Strom da. 4500 Flüge wurden bislang gestrichen, darunter alle von und nach Orlando. Einige der besonders dicht besiedelten Küstengebiete des US-Staates wurden aber nicht mit solch katastrophaler Kraft getroffen wie zunächst befürchtet. Die Behörden warnten jedoch vor voreiligen Schlüssen.

Meteorologen zufolge könnte es an den Küsten der Staaten Florida, Georgia und South Carolina weiterhin zu starkem Regen und tödlichen Sturmfluten kommen. „Matthew“ gilt als der kräftigste Hurrikan in der Region seit mehr als zehn Jahren.

Nach Angaben von Gouverneur Rick Scott besteht nach wie vor die Gefahr, dass der Wirbelsturm seine Richtung ändert und aufs Festland zuhält. „Es ist noch nicht vorbei“, sagte er. „Der schlimmste Teil davon könnte erst noch kommen.“

Auch US-Präsident Barack Obama warnte am Freitag, „Matthew“ bleibe weiterhin „ein wirklich gefährlicher Hurrikan“. Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton bat ihre Unterstützer und Anhänger, sich in Sicherheit zu bringen. Sie und ihr republikanischer Konkurrent Donald Trump wurden von den zuständigen Behörden über Maßnahmen gegen den Sturm unterrichtet.

In Florida wurde „Matthew“ in der Nacht zu einem Hurrikan der Kategorie 3 heruntergestuft. In der historischen Kleinstadt St. Augustine war die Innenstadt am Freitag wegen Überschwemmungen unpassierbar. Am Weltraumbahnhof in Cape Canaveral entstanden nach Angaben der Nasa kleinere Schäden.

Der letzte vergleichbare Hurrikan hatte Florida 2005 getroffen. „Wilma“ tötete damals fünf Menschen und richtete Schäden in Höhe von 21 Milliarden Dollar (nach heutigem Kurs 18,1 Milliarden Euro) an.

„Matthew“ suchte vor allem Haiti heim

Auf seinem Weg gen Norden richtete der Hurrikan besonders im Karibikstaat Haiti schwere Schäden an. Behörden und Rettungskräfte befürchten dort Hunderte Todesopfer. Die Hilfsorganisation Care nannte am Freitag unter Berufung auf das Innenministerium die Zahl von 478 Toten. Allein im besonders stark betroffenen Department Sud seien 283 Menschen getötet worden, berichtete der Radiosender Metropole unter Berufung auf den örtlichen Zivilschutz. Die Nationale Katastrophenschutzbehörde hatte am Donnerstagmittag (Ortszeit) 108 Todesopfer bestätigt und seither keine offizielle Mitteilung mehr herausgegeben. In verschiedenen Medienberichten war teils von deutlich höheren Opferzahlen die Rede.

Vor allem im Südwesten des armen Karibikstaates war die Situation dramatisch. In der Stadt Jérémie seien 80 Prozent der Häuser zerstört oder beschädigt, sagte Care-Mitarbeiterin Holly Frew am Freitag. „Wir haben mit Leuten gesprochen, die alles verloren haben.“ Die Region war noch immer weitgehend vom Rest des Landes abgeschnitten. Frew rechnete damit, dass die Opferzahl noch weiter steigen dürfte.

Auf Fotos der UN-Blauhelmmission Minustah war zu sehen, dass große Gebiete vollständig unter Wasser standen. In anderen Regionen stürzten zahlreiche Bäume um, die Dächer der Häuser waren abgedeckt. Die Blauhelmsoldaten halfen bei den Aufräumarbeiten.

In Jérémie herrschte große Verzweiflung. Menschen liefen durch die mit Schutt und Schlamm bedeckten Straßen und suchten nach ihren Angehörigen. „Der Sturm hat die Menschen in einen Zustand des Schocks und der Verzweiflung versetzt“, berichtete der Care-Mitarbeiter Patricl Louis am Freitag aus der Hauptstadt des Departements Grand’Anse. „Sie haben nicht nur ihre Häuser und ihre Ernte verloren, sondern oft auch Familienmitglieder. Sie sind in Trauer.“

Das Welternährungsprogramm brachte Lebensmittel in die Region. Die UN-Organisation hatte zuvor Nahrungsmittel für bis zu 300 000 Menschen für einen Monat in Haiti eingelagert. Personal und Güter wurden per Hubschrauber in das Katastrophengebiet geflogen.

Der Zugang zu den ländlichen Regionen im Südwesten gestaltete sich allerdings schwierig. „Die große Herausforderung ist, zu den Dörfern in den Bergen zu kommen“, sagte Länderdirektor Carlos Veloso. „Der Zugang ist sonst schon nicht leicht und nach dem Hurrikan wird es noch schwerer werden.“