Im Saarland kippte das Oberverwaltungsgericht die Beschränkungen für „Click & Meet“. Der Handelsverband Baden-Württemberg möchte dies auch für die Händler im Südwesten erreichen. Foto: dpa/Friso Gentsch

Das Saarland muss nach einem Gerichtsurteil die Coronaverordnung aussetzen, alle Läden dürfen öffnen. Der Handelsverband Baden-Württemberg sieht die gleiche Grundlage auch für den Südwesten. Doch was sagt die Landesregierung dazu?

Mannheim/Saarlouis - Der Handelsverband Baden-Württemberg sieht sich nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) des Saarlandes in seiner Forderung nach mehr Öffnungen im Handel bestätigt. „Man muss das Urteil auch für hier nachvollziehen“, sagte Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann am Freitag auf einer virtuellen Pressekonferenz. „Man muss den Einzelhandel in Baden-Württemberg freigeben. Die Landesregierung muss sich jetzt überlegen, was sie mit ihrer Coronaverordnung macht.“

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Das OVG in Saarlouis hatte diese Woche die Coronaverordnung des Saarlandes vorläufig außer Vollzug gesetzt (Aktenzeichen 2 B 58/21). Die Vorgabe, Kunden nur nach vorheriger Terminvorgabe – Click & Meet genannt – sei ebenso unzulässig wie die Beschränkung der Verkaufsfläche von 40 Quadratmeter pro Kunde, befanden die Richter. Dass zum Beispiel die Händler eines Computerladens weniger privilegiert seien als die eines Blumen- oder Buchladens, verstoße gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatz und sei mit dem Blick auf das Infektionsgeschehen nicht begründet.

Außerdem verletze die Verordnung das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit und der Eigentumsgarantie. Geklagt hatte eine Händlerin für IT-Technik, die nur Click & Meet anbieten durfte.

Inzwischen haben die allermeisten Geschäfte geöffnet

Inzwischen haben im Saarland die allermeisten Geschäfte ohne Beschränkungen – von einer Begrenzung der Höchstzahl von einem Kunden pro Quadratmeter abgesehen – wieder geöffnet. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hatte angekündigt, dass die Regierung gegen die Entscheidung keine Rechtsmittel einlegen werde. Allerdings betonte das OVG auf Anfrage unserer Zeitung, dass dies auch gar nicht möglich wäre. Das Urteil sei unanfechtbar.

Das Urteil findet in der Branche große Beachtung. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Saarland, Fabian Schulz, sagte im Saarländischen Rundfunk, der Beschluss habe „Strahlkraft für ganz Deutschland“.

Hagmann wiederum findet das Urteil der Richter aus Saarlouis „bestechend“. Dass der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg bisher schon mindestens drei Klagen von Händlern gegen die Coronaverordnung der Landesregierung zurückgewiesen habe – darunter Eilanträge des Stuttgarter Modehauses Breuninger und des Schorndorfer Modeunternehmens Riani im Februar – ficht sie nicht an. Sie gehe davon aus, dass bei künftigen Entscheidungen die Begründung der Saarländer Richter „auch in Baden-Württemberg nachvollzogen“ werde.

Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim entscheidet noch über einige Klagen der Händler

Derzeit sind beim VGH Baden-Württemberg „noch einige Klagen“ von Händlern anhängig, teilt ein VGH-Sprecher mit. Eine genaue Zahl könne man nicht nennen.

In der Landesregierung kann man der neuen Klagelust des Handelsverbands offenbar wenig abgewinnen. Was sagt sie zu den Forderungen des Verbandes, mit der Argumentation der Saarländer Richter müsse man jetzt auch den Einzelhandel im Südwesten komplett öffnen? Und ob die Coronaverordnung in Baden-Württemberg nicht ebenfalls den Gleichheitsgrundsatz verletze? Die Fragen unserer Zeitung beantwortet das Staatsministerium nicht.

Der Landesregierung sei der Beschluss des OVG des Saarlandes bekannt, heißt es nur. Die Landesregierung habe sich „für einen ausgewogenen und gerechten Weg der Umsetzung entschieden. Insbesondere wurde ein regionales, inzidenzabhängiges Öffnungskonzept aufgenommen, um dem Einzelhandel eine Perspektive zu eröffnen.“

Der Handelsverband sieht seine Perspektive nach den Wahlen. Sie verstehe, „dass alle Politiker momentan auf den Wahltag fokussiert“ seien, sagt Hagmann. Gleichzeitig sondiere der Verband, ob sich ein Händler zu einer weiteren Klage gegen die Coronaverordnung bereit finde. „Durch die Entscheidung des OVG im Saarland haben wir einen Leitfaden bekommen, wie man die Klage aufbauen muss“, sagt Hagmann.