Opfersprecher Wolfgang Schaal zeigt Risse in einem Haus in Leonberg, das von Stützen gehalten werden muss. Der 86-jährige Besitzer Heinz Arnold will nicht mit aufs Bild. Foto: Max Kovalenko/PPF

Klappt Bohrloch-Reparatur? Bei Geothermie-Arbeiten in Leonberg beschädigte Häuser noch nicht saniert.

Leonberg - Aktuell heißt es im Stadtteil Eltingen, dass die Sanierung des 62 Meter tiefen Hauptlochs vor einem Einfamilienhaus in der Thomas-Mann-Straße zwischen 6. und 10. August beginnen soll. Diese Nachricht hat der Sprecher der 32 Hausbesitzer, Wolfgang Schaal, frisch aus dem Landratsamt in Böblingen erhalten. Landratsamtssprecher Dusan Minic will keine Tage nennen, bestätigt aber die Sanierung „Anfang, Mitte August“. Nach der Sanierung, empfehlen beide Sprecher, sollten die 32 noch „drei bis vier Monate warten, ehe sie mit der Sanierung beginnen“ (Schaal). Warten, bis sich die Erde wieder beruhigt hat.

Iris Braun will nicht warten. Die zweifache Mutter zieht in Kürze mit der Familie aus dem Haus ihres Schwiegervaters aus. „Wir haben ein eigenes gekauft“, sagt Braun und fügt hinzu, „mit der Bohrung hat das eigentlich nichts zu tun.“ Trotzdem hat es Braun eilig wegzukommen. Eines Nachts Ende Juli 2011 war sie aus dem Bett hochgeschreckt, weil es wie Schüsse durch die Wohnung im Dachgeschoss knallte. „Ich hatte das Gefühl, das Haus bricht auseinander“, erinnert sich Braun, um Fassung bemüht. Ihr Schlafzimmer liegt in einem neueren Anbau, die Kinder schlafen im alten Teil des Hauses. „Ich hatte Angst, dass eine Seite zusammenbricht“, sagt Braun, „also blieb ich die ganze Nacht bei den Kindern sitzen.“

Während ihr Mann das Krachen als Bewegung im Dachgebälk auslegte und den ersten Spalt in den Fliesen zwischen Alt- und Neubau für einen Verlegefehler, ahnte Iris Braun schon, was dann eintraf. Heute ist der Spalt zentimeterbreit, im Flur stützt ein Metallpfeiler die Decke. „Der schloss anfangs mit der Wand ab“, sagt Braun. Heute sind da zwei Zentimeter Luft, weil sich der Altbau vom Neubau fortbewegt hat. Iris Braun will nicht mehr weiterreden.

Hoher Werteverlust

Schwiegervater Kurt Braun steht fünfzig Meter weiter am Bohrloch. „Wir sind hier Schütze Arsch im dritten Glied“, poltert der Mann im fortgeschrittenen Alter. Dass die drei Millionen Euro von der Versicherung der Bohrfirma für alle Schäden reichen sollen, beruhigt Braun nicht. „Sagen wir mal, mein Haus war vorher 600.000 Euro wert“, rechnet er vor, „und ich wollte es einem meiner drei Kinder überschreiben, und dieses soll die anderen beiden auszahlen. Jetzt kriegt man aber nur noch 150.000 Euro dafür. Wie soll das aufgehen?“, fragt Braun.

Wolfgang Schaal weiß von einem Eigentümer in der benachbarten Bismarckstraße, der sein unbeschädigtes Haus verkaufen will: „Ein Käufer, der zugesagt hatte, kam dann einfach nicht zum vereinbarten Notartermin.“ Er hatte von der Bohrung erfahren.

Die Sache mit dem Wertverlust hat Kurt Braun Umweltminister Franz Untersteller vorgehalten, als dieser im Februar da war. Untersteller sagte zu, dass man nach der Sanierung der Häuser eine Lösung suchen werde. Die Firma und der Auftraggeber, der eine moderne Heizung aus regenerativer Energie installieren wollte, dürften überfordert sein.

„Was willscht macha, s’isch scho bassiert“

Heinz Arnold hat es am heftigsten erwischt. Sein Eigenheim aus den 50er Jahren ist sogar einsturzgefährdet und muss mit baumlangen Balken abgestützt werden. Andere würden wohl zumindest den alten Teil abreißen und neu errichten, doch der 86-Jährige will unbedingt sanieren. Arnold fällt wenig dazu ein, wenn er die Wände anschaut. „Was willscht macha, s’isch scho bassiert“, flüstert er. Mit der Versicherung hat er sich geeinigt, das Geld liegt schon auf der Bank. An die Sanierung des Bohrlochs glaubt er erst, wenn die beiden beauftragten Firmen anrücken.

Die Firma aus Renningen, die das Problemloch für eine Erdheizung in den Vorgarten eines Einfamilienhauses getrieben hatte, darf ihr Werk demnächst sanieren. Damals hatte sie entgegen der Auflagen des Landratsamts zwei Grundwasserschichten miteinander verbunden. Wasser floss nach unten ab, Erde rutschte in den entstandenen Hohlraum nach, die Häuser sackten ab. Inzwischen hat die Firma nachgewiesen, dass sie durch das schmale Bohrloch, das nur von einem Blumenkübel bedeckt wird, ein Werkzeug nachschieben kann. Mit diesem will sie in etwa 40 Meter Tiefe die vorhandenen Schläuche aufschlitzen. Eine zweite Firma presst dann ein Zementgemisch in den Hohlraum – vielleicht einen Kubikmeter, vielleicht zehn, vielleicht noch mehr.

In der Thomas-Mann-Straße warten alle gespannt auf das Ergebnis. Sie fürchten, dass es nicht klappt und eine erneute Bohrung in noch größerem Umfang als beim ersten Mal nötig wird. „Bevor hier noch mal einer bohrt“, sagt Opfer-Sprecher Wolfgang Schaal, „wollen wir eine Zusage von der Landesregierung , wer bezahlt, wenn wieder was passiert.“