Spenden in Waiblingen werden sortiert, dokumentiert, beschriftet und verladen. Foto: Stoppel

Nach dem Erdbeben in der Türkei und Syrien wächst die Welle der Hilfsbereitschaft. Viele Menschen aus dem Rems-Murr-Kreis schicken Spenden in die betroffenen Gebiete.

Der 20-Tonner steht bereit, sagt Orhan Binbir, Vorsitzender der Alevitischen Gemeinde Stuttgart. Am Donnerstagabend soll der Lastwagen seine Fahrt ins Erdbebengebiet nach Kahramanmaraş aufnehmen. Bis dahin sollen noch möglichst viele Hilfsgüter zusammenkommen. Der Fellbacher hat eine Spendenaktion ins Leben gerufen, um den Menschen in der südanatolischen Gegend um Kahramanmaraş, eine Provinz und Hauptstadt rund 1000 Kilometer östlich von Istanbul, zu helfen. In der Provinz seien zahlreiche Dörfer zerstört worden und ebenfalls unzählige Todesopfer zu beklagen. „Wir haben Kontakte zu einem dortigen Spediteur, dessen Lastwagen gerade hier in Stuttgart ist und mit dem die Hilfsgüter in die Türkei transportiert werden.“

Noch am Mittwoch und Donnerstag können Bekleidung, Schuhe und Decken (keine Lebensmittel und keine medizinischen Güter) zwischen 15 und 19 Uhr im Vereinsheim in Bad Cannstatt an der Glockenstraße 10 abgegeben werden. „Die Kartons sollten beschriftet sein, sodass man weiß, was sich darin befindet.“ Auch die alevitischen Gemeinden in Esslingen und Winnenden hätten sich an der Hilfsaktion beteiligt. „Am Montag hatten wir schon 1,5 Tonnen Hilfsgüter zusammen“, sagt Binbir. Der 59-Jährige hofft, dass noch viele weitere Kartons zusammenkommen, ehe sich der Lastwagen auf die dreitägige Fahrt macht.

Reisebus und mehrere Lastwagen machen sich auf den Weg

So schnell wie möglich machen sich auch ein mit Hilfsgütern beladener Reisebus und mehrere Lastwagen aus Waiblingen auf den Weg in den Süden der Türkei. Die Initiative geht vom Ehepaar Esra und Serkan Kahya aus. Am Dienstagmittag hatten der Waiblinger Geschäftsmann und seine Helfer dutzende Kartons entgegengenommen, den Inhalt sortiert, dokumentiert und verladen. „Wir wollen Kleidung, Lebensmittel und andere Waren so nah wie möglich ans Katastrophengebiet bringen und die Sachen an diejenigen verteilen, die sie am dringendsten brauchen“, sagt Fatih Turmus, einer der Helfer. „Eine Gruppe von uns fliegt mit dem Flugzeug nach und will dann vor Ort helfen, wo es geht.“

Die Weinstädterin Dilek Bilgic ist eine von vielen, die ihre Spenden bei ihm abgibt. Sie hat in ihrem Freundeskreis schon fleißig Decken, Mäntel, Socken und Babybekleidung gesammelt, sagt sie. „Fünf Familien haben mir ihre Sachen zur Verfügung gestellt.“ Was genau benötigt wird, habe sie einer Liste der Hilfsorganisation AFAD entnommen. „Das ist die Organisation in der Türkei, die in Katastrophenfällen wie Erdbeben die Hilfen koordiniert und dafür sorgt, dass die Sachspenden sinnvoll verteilt und an die Leute abgegeben werden.“ Auch Geld habe Bilgic gespendet. „Ich denke mir, dass diese Hilfe am schnellsten ankommt.“

Kuchenverkauf beim Freitagsgebet

Bei den acht Ditib-Moscheen im Rems-Murr-Kreis liegt der Fokus auf finanzieller Hilfe, sagt der Kreisvorsitzende Kugret Yilmaz. „Wir wurden vom Dachverband aufgerufen, dass wir uns auf das Sammeln von Geldspenden konzentrieren sollen, weil man nicht sicher sein kann, dass alle Sachgüter rechtzeitig und am richtigen Ort in der Türkei ankommen. „So eine Fahrt dauert sehr lang und es kann einiges verloren gehen“ – das habe sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Frauen und Jugendliche der Gemeinde im Rems-Murr-Kreis würden am Freitag in den Moscheen Backwaren verkaufen, um den Erlös den Menschen im Katastrophengebiet zu spenden.

Nur gut erhaltene Bekleidung spenden

Groß sei Hilfsbereitschaft auch unter den anderen Mitgliedern der mehr als hundert Ditib-Moscheevereinen in Württemberg, sagt der Ditib-Vorstandsvorsitzende Ismet Harbi: „Die Solidarität ist riesig, jeder versucht auf allen möglichen Wegen, Geld und Spenden zu sammeln, um sie in die betroffenen Gebiete in der Türkei zu bringen.“ In vielen Städten würden von den Vereinen Sammelaktionen organisiert, auch versuchten Vereinsmitglieder wie in Waiblingen beispielsweise durch den Verkauf von Kuchen, an Geld zu kommen, um den Erlös zu spenden. „Jeder Cent und jeder Euro hilft“, sagt Harbi. Neben den finanziellen Hilfen würden vor Ort besonders Decken und gut erhaltene Winterkleidung benötigt. „Wir bitten die Leute allerdings, nur gut erhaltene Bekleidung und Decken zu spenden, damit sie nicht aussortiert werden müssen, weil sie kaputt oder vielleicht auch schimmlig sind, weil sie ewig in einem Keller gelagert waren.“ Auch Lebensmittel wie Kindernahrung würden vor Ort dringend gebraucht, ebenso Windeln und Hygieneartikel für Frauen.

Je früher die Hilfe kommt, umso besser

Der Ditib-Landesverband stehe in Kontakt mit der Fluglinie Turkish Airlines und dem türkischen Konsulat, um die Transporte schnell und reibungslos ins Land zu bringen. Auch die Kooperationen mit gut vernetzten Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz und dem Roten Halbmond spielten eine wichtige Rolle, damit die Verteilung der Güter vor Ort schnell und gut vonstatten gehe. „Es ist in dem Erdbebengebiet sehr kalt, je früher die Hilfe eintrifft, desto besser.“

Vom schweren Erdbeben in der Nacht auf Montag in der Türkei und in Syrien kamen mehrere Tausend Menschen ums Leben, unzählige haben ihre Häuser und Wohnungen verloren. Nach wir vor suchen Rettungskräfte weiter nach Überlebenden – bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.