Knapp drei Jahre nach der kurzzeitigen Entführung des Unternehmersohns Markus Würth hat die hessische Polizei einen Verdächtigen gefasst. Foto: dpa

Knapp drei Jahre nach der Entführung eines Milliardärssohn in Osthessen könnte der mutmaßliche Kidnapper gefasst sein. Die Polizei nahm einen Tatverdächtigen fest. Er sitzt nun in Untersuchungshaft.

Fulda/Offenbach - Knapp drei Jahre nach der kurzzeitigen Entführung des Unternehmersohns Markus Würth hat die hessische Polizei einen Verdächtigen gefasst. Der mutmaßliche Kidnapper des Sohns des Industriellen Reinhold Würth sei ein 48 Jahre alter Offenbacher mit serbisch-montenegrinischer Staatsbürgerschaft, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit. Kripo-Beamte durchsuchten seine Wohnung nach möglichen Beweismitteln. Die Festnahme erfolgte den Angaben zufolge am Mittwochmorgen.

Gegen den Mann sei Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des erpresserischen Menschenraubes erlassen worden. Nach seiner Festnahme wurde er im Polizeipräsidium Osthessen vernommen. Es gab keine Angaben darüber, ob sich der Mann dabei zu den Vorwürfen äußerte. Er befinde sich in einer Justizvollzugsanstalt, hieß es am späten Nachmittag. Am (morgigen) Donnerstag wollen sich die Ermittler bei einer Pressekonferenz in Fulda ausführlicher äußern.

Telefonische Lösegeldforderung

Der behinderte Sohn des baden-württembergischen Schrauben-Milliardärs Würth war am 17. Juni 2015 in Schlitz (Vogelsbergkreis) gekidnappt worden. Er lebte dort in einer integrativen Wohngemeinschaft. Die Lösegeldforderung ging damals telefonisch am Stammsitz des Unternehmens ein. Würth und seine Ehefrau waren zu dem Zeitpunkt auf einer Geschäftsreise in Griechenland.

Einen Tag später wurde der damals 50-Jährige in einem Wald bei Würzburg unversehrt an einen Baum gekettet gefunden. Zu einer Lösegeld-Übergabe in Millionen-Höhe kam es nicht. Die Belohnung für Hinweise, die zum Täter führen, wurden von zunächst 5000 auf 30 000 Euro erhöht.

Der 82 Jahre alte Schraubenmilliardär stammt aus Öhringen (Kreis Heilbronn). Die Würth-Gruppe hat ihren Sitz in Künzelsau im Hohenlohekreis. Die Familie äußerte sich auf Anfrage nicht zu der Festnahme.

Die Ermittler nutzten auch die Fernsehsendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“, um Hinweise aus der Öffentlichkeit zu bekommen. Ende April 2017 zeigten sie den spektakulären Kriminalfall im ZDF und präsentierten den TV-Zuschauer auch eine Sprachanalyse.

Nach den damaligen Erkenntnissen sollte der Täter aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen, denn der Mann sprach mit deutlichem Akzent. Den Erkenntnissen nach lernte er Deutsch im Rhein-Main-Gebiet. Die Ermittler glaubten, dass er dort lebte oder arbeitete. Die Analyse ergab ein Alter des Täters zwischen 40 und 52 Jahren. Er soll demnach wahrscheinlich aus dem Raum Sandzak im Grenzgebiet zwischen Serbien und Montenegro stammen.

Stimmanalyse halt Ermittlern

Aus der Stimmanalyse zogen die Ermittler weitere Rückschlüsse. Beruflich sei der Mann wahrscheinlich im Umgang mit Menschen geübt. Jobs als Fahrdienstleister für Personen oder als Bote seien ebenso denkbar wie eine Beschäftigung im sozial-karitativen Bereich oder in der Gastronomie. Seine Höflichkeit und die wiederholte Verwendung des Wortes „bitte“ führte die Ermittler auf diese Fährte.

Neben der Stimmanalyse wertete die Polizei seiner Zeit Handydaten aus. Dadurch entstand ein Bewegungsbild des mutmaßlichen Täters. Nach den Erkenntnissen der Ermittler lud der Kidnapper an verschiedenen Orten sein Handy-Guthaben auf. Er soll dafür im Rhein-Main-Gebiet in verschiedenen Geschäften sogenannte Cash-Codes erworben haben - auch am Tattag in einem Supermarkt in Würzburg-Eisingen. In der Nähe wurde später der entführte Industriellensohn gefunden.

Die Sonderkommission zu dem Fall wurde im September 2015 aufgelöst, die Ermittlungen liefen aber weiter. Der Sohn Würths lebt inzwischen an einem anderen, geheim gehaltenen Ort.