Abgang – Angela Merkel verlässt nach dem Scheitern der Verhandlungen den Ort des Geschehens. Foto: dpa

Die einen sprechen davon, dass die Einigung zum Greifen nahe war, andere sehen unüberbrückbare Differenzen bei den Gesprächen, jeder gibt dem anderen Schuld am Abbruch. Und manch einer beginnt sich zu fragen, ob der Schritt der FDP von längerer Hand geplant gewesen ist.

Berlin - Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat den Abbruch der Jamaika-Sondierungsgespräche durch die FDP bedauert und betont, dass sie sich trotzdem um Stabilität in Deutschland bemühen werde. „Ich als geschäftsführende Bundeskanzlerin werde alles tun, dass dieses Land durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird“, sagte Merkel am Montagmorgen in einem gemeinsame Statement mit CSU-Chef Horst Seehofer. Sie bedauerte den Abbruch der Sondierungsgespräche. Merkel sagte, sie werde am Montag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über die Entwicklung informieren. Man müsse jetzt sehen, wie sich die Dinge weiterentwickelten. „Wir, CDU und CSU gemeinsam – das sage ich ausdrücklich -, werden Verantwortung für dieses Land auch in schwierigen Stunden übernehmen“, sagte Merkel.

Volker Wissing, FDP

Der FDP-Politiker Volker Wissing hat nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen scharfe Vorwürfe an die Adresse von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerichtet. Die Union sei mit dem Regierungsbildungsauftrag offensichtlich überfordert gewesen, sagte Wissing am Montag im Deutschlandfunk. Die Kanzlerin habe „chaotische Sondierungsverhandlungen organisiert. Sie hat die Lage völlig falsch eingeschätzt.“ Die Union habe große Zugeständnisse an die Grünen gemacht, während der FDP nur „Brosamen“ angeboten worden seien. Die Grünen hätten immer neue Forderungen gestellt und „keinen Millimeter Bewegung“ gezeigt. „Wir fühlten uns am Ende von den Gesprächspartnern nicht mehr ernst genommen“, sagte der FDP-Politiker. Er verteidigte den Rückzug seiner Partei aus den Sondierungen. „Die Gespräche verliefen die gesamte letzte Woche von Tag zu Tag schlechter.“

Michael Kellner, Grüne

Die FDP hat nach Angaben der Grünen die Jamaika-Gespräche in dem Moment platzen lassen, als eine Einigung unmittelbar bevorstand. „Es wäre kurz vor einer Entscheidung gewesen und kurz zuvor ist die FDP weggerannt“, sagte Grünen-Geschäftsführer Michael Kellner am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Sie haben sich ihre Jacken gepackt und sind fluchtartig rausgerannt.“ Zuvor hätten sich die Verhandlungsführer noch einmal getroffen, dabei habe es Signale der CSU gegeben, sich auch bei der Flüchtlingspolitik und dem Familiennachzug nochmal zu bewegen. Auch ein „substanzielles Angebot“ zur Klimakrise habe auf dem Tisch gelegen. „Dann hat die FDP vielleicht gedacht, jetzt einigen sie sich doch noch und dann ist sie davongestürmt“, sagte Kellner. Er habe schon den Eindruck, dass es ein „Rausstehlen aus der Verantwortung“ war. „Wenn es mal Bewegung auf Seiten der CSU gab, dann ist die FDP in die Bresche gesprungen und hat die Fahne der CSU hochgehalten“, sagte Kellner.

Winfried Kretschmann, Grüne

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat das Scheitern der Jamaika-Gespräche beklagt. „Das ist kein guter Tag für Deutschland“, sagte er der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“. „Es ist ein enormer Schaden für Deutschland und Europa, wenn wir jetzt keine stabile Regierung haben. Ich habe gehofft, dass das alle einsehen und eine hohe staatspolitische Verantwortung zeigen.“ Kretschmann fügte hinzu: „Mit der Begründung von Herrn Lindner kann man immer aussteigen. Denn bei vier Parteien kann niemand sein Parteibuch durchsetzen. Das kann man nicht als Begründung nehmen.“

Horst Seehofer, CSU

CSU-Chef Horst Seehofer hat den Abbruch der Jamaika-Sondierungen als „Belastung“ für Deutschland bezeichnet. Eine Einigung sei „zum Greifen nahe“ gewesen, sagte Seehofer in der Nacht zu Montag in Berlin. Auch bei der Migrationspolitik wäre eine Einigung möglich gewesen. Er sei den ganzen Tag davon ausgegangen, dass es eine Einigung auf Koalitionsverhandlungen geben werde, sagte Seehofer. Das hätte es ermöglicht, eine Antwort auf das Wahlergebnis zu geben, nämlich die Polarisierung zu bekämpfen und „politisch-radikale Kräfte“ zurückzudrängen. Seehofer sagte mit Blick auf den Abbruch der Verhandlungen durch die FDP: „Das ist schade.“

Julia Klöckner, CDU

CDU-Vize Julia Klöckner hat den Abbruch der Jamaika-Sondierungen durch die FDP kritisiert. Sie bescheinigte den Liberalen am Abend via Twitter „gut vorbereitete Spontanität“. „Anständig wär es gewesen, wenn alle Parteivorsitzenden gemeinsam den Abbruch hätten verkünden können“, schrieb sie.

Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD

Der stellvertretende SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel hat nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen eine Neuauflage der Großen Koalition in Berlin weiter ausgeschlossen. „Die SPD ist nicht das Ersatzrad am schlingernden Wagen von Frau Merkel“, sagte Schäfer-Gümbel dem Radiosender hr-iNFO am Montagmorgen. „Ich bin heute Morgen noch nicht in der Situation zu sagen, wie wir uns jetzt selber aufstellen, außer dass wir nicht Ersatzspieler sein werden“, sagte der Landesvorsitzende der hessischen SPD. Einer Minderheitsregierung werde sich die SPD aber nicht verschließen. Die FDP hatte die Jamaika-Sondierungen in der Nacht platzen lassen.