Diskriminierung der LGBTQ-Community ist nicht nur in Ungarn ein Thema – sondern auch in der Türkei. Erst am Dienstag hat die türkische Polizei das Picknick eines Schwulenvereins in Istanbul aufgelöst. Wie sich die Lage für Schwule und Lesben in der Türkei gewandelt hat.
Istanbul - Eine Hundestaffel versperrt den Spazierweg im Macka-Park, dem letzten grünen Flecken in der Innenstadt von Istanbul; vier Schäferhunde zerren an kurzen Leinen und fletschen in ihren Maulkörben die Zähne. Zwischen spielenden Kindern und Freundesgruppen auf Picknickdecken lungern Einheiten bewaffneter Einsatzpolizei herum, vor den Toren stehen Wasserwerfer bereit.
Am Eingang zum Park kontrollieren Polizisten akribisch die Taschen und Rucksäcke der Spaziergänger nach bunten Farben: Selbst ältere Damen müssen die Handtasche aufmachen und beweisen, dass sie keine Regenbogenfarben in den Park schmuggeln wollen. Wer die Farben der LGBT-Bewegung trägt – und sei es nur als bunte Maske oder Socken -, muss draußen bleiben. Denn was die türkische Polizei hier mit ihrem Großeinsatz verhindern soll, das ist ein veganes Picknick von ein paar Schwulen und Lesben.
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Einsatzkräfte stürmten das Picknick
Eigentlich war das Picknick zur Feier der LGBT-Woche auf den Prinzeninseln vor Istanbul geplant gewesen, doch dort wurde es von den Behörden verboten. Die Veranstalter disponierten um, aber kurz vor dem Ausweichtermin am Dienstag im Macka-Park ließ das Landratsamt es auch da verbieten, und die Polizei marschierte auf.
Vor dieser Drohkulisse saßen am Nachmittag etwa 30 bis 40 Menschen friedlich auf dem Gras zusammen und versuchten, die Einsatzkräfte zu ignorieren. Am Ende kam es, wie es in der Türkei heute bei solchen Anlässen fast immer kommt: Die Einsatzkräfte stürmten das Picknick und prügelten die Teilnehmer auseinander.
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Letzte „Pride Parade“ vor sieben Jahren
Bis vor wenigen Jahren gab es in Istanbul eine lebhafte und bunte LGBT-Szene. An der alljährlichen „Pride Parade“ von Istanbul nahmen vor sieben Jahren noch mehr als 100 000 Menschen teil – es war der letzte solche Marsch, denn seither wird die „Pride“ regelmäßig verboten.
Beim Schwenk von einem Kurs auf die Europäische Union und eine liberale Demokratie nach europäischem Vorbild hin zu einem autoritären Staat gingen Werte wie Gleichheit und Toleranz über Bord.
Die islamisch-konservative Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und seinem nationalistischen Bündnispartner Devlet Bahceli haben sich inzwischen auf Schwule und Lesben eingeschossen, greifen sie öffentlich als „unmoralisch“ an und erklären Homosexualität zu einem Angriff auf die Werte der türkischen Gesellschaft und gar zum „Terrorismus“. Sogar den Ausstieg aus dem Istanbul-Abkommen zum Schutz von Frauen vor Gewalt begründete Ankara intern damit, dass sie Diskriminierung gegen Schwule und Lesben verbiete – und damit die türkische Gesellschaft untergrabe.