Seit einer Fortbildung in einem italienischen Kinderhaus mit Zebra-Logo ist Barbara Pfersich Fan von dem Tier – und trägt auch die passende Brille dazu. Foto: Simon Granville

Suche Mitbewohner, biete Humor. Barbara Pfersich sitzt nach einem Schlaganfall im Rollstuhl und lebt im Seniorenheim. Jetzt sucht sie nach Mitstreitern, die eine Wohngemeinschaft mit ihr gründen wollen. Eine Frau und ihr unbeugsamer Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen.

Barbara Pfersich erinnert sich noch genau an den 4. November 2012. Sie war mit einer Freundin unterwegs, für Anfang November war es ein milder Tag. Erst vor wenigen Wochen ist sie in Rente gegangen und in ihre Traumwohnung in Ludwigsburg umgezogen.

 

Abends wird ihr komisch, kurz danach liegt sie auf dem kalten Küchenboden. 17 Stunden lang. Hilflos in dem Wissen, dass bei einem Schlaganfall jede Minute zählt. Später verschafft sich die Feuerwehr über den Balkon Zugang zu ihrer Wohnung. Seitdem ist ihr Leben unterteilt – in die Zeit vor dem Schlaganfall und nach dem Schlaganfall.

Ein Leben lang in verschiedenen Funktionen für Kinder eingesetzt

Seit 12 Jahren sitzt die 76-Jährige im Rollstuhl, seit zweieinhalb Jahren lebt sie im Seniorenheim. Auch wenn ihr altes Leben Jahre zurückliegt, „die Erinnerungen daran sind noch ganz frisch“, sagt sie. Über 38 Jahre leitet sie das städtische Kinderhaus Violetta in Neckarweihingen, ermutigt Kinder frei zu denken, richtet nach einer Fortbildung im norditalienischen Reggio Emilia ein Forschungszimmer und ein Atelier ein. Jeden Morgen um 9 Uhr gibt es eine Konferenz, bei der Kindern offene Fragen gestellt und Ideen ausgetauscht werden können. „Oft fragt man Kinder etwas und beantwortet aber direkt alles selbst“, sagt Pfersich, die sich ihr Leben lang in verschiedenen Funktionen für Kinder einsetzt.

In Marbach gründet sie die Tanz- und Theaterwerkstatt und steht selbst für das Bürgertheater unzählige Male auf der Bühne. Manchmal habe sie die Musik laut aufgedreht, „Holiday“ von Madonna oder „Startschuss“ von Anna Loos, und laut mitgesungen und getanzt. „Ich habe das Leben geliebt.“ Heute sei sie stark eingeschränkt, im Seniorenheim fehlen ihr manchmal Gesprächspartner und der Platz, kreativ zu sein. Die 76-Jährige sitzt in ihrem Zimmer, hinter ihr hängen Fotos von Zebras an der Wand, ihre Tagesdecke ist gestreift, ihre Schuhe, die unter der Garderobe stehen, die Socken, die sie trägt.

Selbst ihren Gehstock, mit dessen Hilfe sie selbstständig gehen übt, haben ihre Enkelinnen beklebt. Das Kinderhaus in Reggio Emilia, bei dem sie die Fortbildung gemacht hat, hatte ein Zebra-Logo, seitdem sei sie von dem Tier nicht mehr losgekommen. „Mein Motto ist ‚Besser gestreift als kleinkariert’“, sagt Pfersich mit einem Schmunzeln.

Ludwigsburgerin sucht Menschen für Wohngemeinschaft

An Barbara Pfersichs Wand hängen viele Fotos von Zebras. Darunter auch dieses gemalte Bild mit ihrem Lebensmotto. Foto: Simon Granville

Da passt es gut, dass sich Barbara Pfersich etwas bezüglich ihrer Wohnsituation überlegt hat. Die Ludwigsburgerin sucht Mitstreiter für eine ambulant betreute Wohngruppe. „Ich wünsche mir Menschen, die sich gegenseitig motivieren und mal sagen: Na, wie viel Schritte gehen wir heute?“ Vielleicht gebe es jemanden, der eine barrierefreie Wohnung habe und nicht allein darin leben möchte, vielleicht gebe es andere Menschen, die einen Schlaganfall hatten und noch fit im Kopf seien. „Ich bin nicht dafür gemacht, allein zu leben“, sagt Pfersich. „Dafür bin ich zu kommunikativ.“

Hoffnung macht das neue Gesetz für unterstützende Wohnformen

Barbara Pfersich hatte ihr Leben lang viele soziale Kontakte und auch heute noch Freunde, die sie besuchen. Trotzdem seien es weniger geworden, „man ist manchmal einsam im Seniorenheim“. Damit ist sie nicht allein. Laut der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe haben vier von zehn Betroffenen nach dem Schlaganfall weniger soziale Kontakte. In Barbara Pfersichs Augen gebe es in Deutschland wenig Wohnmöglichkeiten für jüngere Menschen mit Einschränkungen. „Ich habe so viel gegeben und jetzt bin ich im Seniorenzentrum“, sagt sie. „Vom Leben vergessen.“

Hoffnung macht ihr das neue Gesetz für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege, mit dem Baden-Württemberg bundesweit Vorreiter ist. Selbstverantwortete Wohngemeinschaften sollen zukünftig eine zusätzliche Säule sein. Bewohnerinnen und Bewohner regeln ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich, wählen die Pflege- oder Unterstützungsleistungen frei und gestalten ihr tägliches Leben selbstbestimmt.

Barbara Pfersich lebt seit zweieinhalb Jahren in dem Seniorenheim. Foto: Simon Granville

Barbara Pfersich hat ihre Zukunft schon genau vor sich. Sie stellt sich einen großen Tisch vor, an dem ihre Mitbewohner gemeinsam frühstücken, über Kunst, Theater und Bücher sprechen. Eine kleine Bibliothek in einem Zimmer, vielleicht ein Atelier in einem anderen. „Ich habe immer gekämpft und meinen Humor nie verloren“, sagt Barbara Pfersich. Oder wie es in ihrem Lieblingslied von Anna Loos heißt: „Wird sich alles schon finden, auch wenn ich’s jetzt noch nicht weiß. Es wird schon irgendwie laufen.“

Suche nach Mitbewohnern

Kontakt
Wer sich vorstellen kann, mit Barbara Pfersich über eine Wohngemeinschaft zu sprechen, kann sich per E-Mail an redaktion.ludwigsburg@stzn.de wenden.