Monika M. bei der Gartenarbeit: normalerweise tönt hinter der Lärmschutzwand an der Rheintaltrasse nicht nur der Mäher. Foto: Jehle

Zwar sorgt die Sperrung der Rheintalbahn in Rastatt für eine gewisse Ruhe – dennoch ist die Anspannung nach der Absenkung der Gleise groß – und bei der Bürgerversammlung am Donnerstag sparen die Anwohner nicht mit Kritik an der Bahn.

Rastatt - Am Donnerstagabend hat die Deutsche Bahn den Bürgern im stark betroffenen Rastatter Teilort Niederbühl Rede und Antwort gestanden. Die Befürchtung, dass der kleine Gemeindesaal St. Laurentius zu klein sein könnte, hat sich jedoch nicht bewahrheitet – die 150 Gäste passten alle hinein. Die Übertragung der Versammlung auf den Vorplatz nahmen nur jene wenigen Menschen wahr, denen es im Saal zu stickig war.

Dicke Luft herrschte dort durchaus – auch im übertragenen Sinn. Zwar blieben die Wortbeiträge der Bürger gesittet, aber es wurden zwei Punkte mehr als deutlich. Erstens stinkt den Anwohnern der Baustellenlärm: durch die Havarie hat die Zahl der Betonlaster, die durch den Ort fahren, wieder dramatisch zugenommen, die Lastwagen fahren die ganze Nacht hindurch – und es ist jetzt schon klar, dass die Baustelle weit über das eigentlich geplante Ende 2022 hinaus fortdauern wird.

Anwohner sorgen sich um ihre Häuser

Zweitens sorgen sich viele Anwohner um ihre Häuser: es dürfe mit dem Bau nicht weitergemacht werden, forderte eine Bürgerin, bevor die Ursache des Unglücks nicht zweifelsfrei feststehe und die Auswirkungen beherrscht würden.

Wenig Applaus gab es für die Bahnvertreter. Es ärgerte viele, dass Philipp Langefeld, der Gesamtleiter des Großprojektes Karlsruhe-Basel, mehrmals die Bahnmitarbeiter für ihr Krisenmanagement lobte, den Niederbühlern aber nichts mitbrachte außer einer Entschuldigung und Achselzucken: es gebe im Moment leider keine Alternative zu den Maßnahmen, sagte er. Fragen zur Ursache, zum Zeitplan und zu den Belastungen für die Gemeinde beantwortete er nur vage. Die Bahn könne vieles einfach selbst noch nicht sagen, so seine mehrfach wiederholte Antwort.

Schon im Vorfeld war klar, dass die beiden Bürgermeister der Stadt Rastatt, Wolfgang Hartweg und Arne Pfirrmann, an diesem Abend kein Öl mehr ins Feuer gießen würden – dabei hatte es wegen der schlechten Kommunikation der Bahn mit der Stadt zuletzt mehr als kräftig gekracht. Die Bahn habe am Samstag der Havarie, als der neu gebaute Tunnel an einer Stelle abgesackt ist und die oberirdischen Gleise deformiert wurden, eigenmächtig Straßen abgesperrt, ohne die Stadt zu informieren – auch am Sonntag und Montag habe sich niemand gemeldet, betonte die Pressesprecherin Heike Dießelberg. Doch jetzt gehe es um die Lösung der Krise, mittlerweile seien die Kontakte mit der Bahn ordentlich.

Neugierige pilgern zur Baustelle

Dessen ungeachtet ist das Thema in aller Munde. Eine dreiköpfige Radlergruppe hält am Donnerstagvormittag an der Absperrung. „Wir sind aus dem Murgtal“, sagt einer der Männer. Die Neugier trieb sie in den Rastatter Stadtteil Niederbühl. „Was das wohl kostet“, fragt er. Hinter den Absperrbändern und Gittern herrscht geschäftiges Treiben: Noch zwei Tage, so die Bahn, dann sei der eingebrochene Tunnel mit Beton verfüllt. Waren es bisher die lauten Güterzüge, so sind es jetzt die vielen Lastwagen, die die Anwohner stören.

Monika M., die für einen Niederbühler Hausmeister-Service arbeitet, mäht gerade eine große Rasenfläche bei dem Anwesen mit der Hausnummer 28, direkt am Lärmschutzwall an der viel befahrenen Rheintalbahn. Sie hat bis vor drei Monaten selbst noch in der Ringstraße gewohnt – gut 200 Meter entfernt von der Bahntrasse. Der Lärm der Güterzüge sei für direkte Anlieger „schon eine Belastung“, sagt sie. In der Tat: Ein 80-Jähriger hat dieser Tage der Lokalzeitung seine Eindrücke mitgeteilt: „Wenn wir früher im Garten saßen, dann gab es immer wieder eine kurze Kommunikationspause, wenn ein Zug vorbeifuhr“, wird er zitiert. Vor allem die Güterzüge „machten jedes Mal richtig Lärm“. Bis zu 200 davon verkehren laut der Bahn täglich in beide Richtungen entlang der Gleistrasse – wenn diese nicht gesperrt ist.

16 Menschen kehren in ihre Häuser zurück

Noch bis zum 7. Oktober herrscht auf dem Abschnitt zwischen Rastatt und Baden-Baden allerdings Ruhe. Eine Ruhe, die wohl auch die Bewohner von vier Häusern genießen werden, wenn sie am Samstag dorthin zurückkehren können. Die 16 Menschen, die nicht mehr mit der Presse sprechen möchten, waren nach der Panne im Tunnel kurzfristig in Hotels einquartiert worden. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, hatte die Bahn versichert, während Anwohner davon sprachen, dass ihnen unverblümt mitgeteilt worden sei, die Häuser könnten auch absinken. Dieses Risiko hat die Bahn gebannt. Die Tunnelvortriebsmaschine, die laut der „Arge Tunnelbau Rastatt“ aufgegeben werden muss, wird am Samstag vollends in Beton eingegossen sein. „Wahnsinn“, sagt Monika M. dazu.