Das war vor wenigen Tagen in Taormina - jetzt ist das Verhältnis zwischen Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Trump noch schlechter geworden. Foto: AP

Der Bundesregierung kommt im Umgang mit US-Präsident Trumps Klimabeschlüssen eine Schlüsselrolle zu. Sie muss in den nächsten Wochen und Monaten gleich mehrere Nagelproben bestehen, um die Weltgemeinschaft zusammenzuhalten – und einen Schutzwall gegen Trump zu bauen.

Berlin - US-Präsident Donald Trump hat sich klimapolitisch festgelegt. Alle Appelle haben nichts gefruchtet, er hat den Pariser Klimavertrag aufgekündigt. Das sind die wichtigsten Folgen im Überblick.

1. Kommt mit Trumps Festlegung nun ein Domino-Effekt in Gang?

Nein, Aussichten auf ein Heer von „Nachahmern“ hat Trump nicht – fürs erste. Wahrscheinlich wird sein Schritt den Rest der Welt zunächst zusammenschweißen. Europa, Deutschland sowie die Schwergewichte China und Indien und haben schon vor seiner Entscheidung angekündigt: Wir halten am Pariser Klimavertrag fest. Schon kurz nach seinem Auftritt im Rosengarten, erteilten Deutschland, Frankreich und Italien seiner Forderung nach Nachverhandlungen eine klare Absage. Dass Russland ebensolche Signale sendet, ist ein gutes Zeichen. Wahrscheinlich wird Saudi-Arabien, das wegen seiner Ölvorräte und seiner ökonomischen Abhängigkeit vom Öl sowieso ein Grundsatzproblem mit der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft hat, sich Trump anschließen. Aber viel größer dürfte die Anti-Klima-Allianz zunächst nicht werden. Dennoch: Zu viele Staaten – Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer – haben zu viel zu verlieren, wenn der Klimaschutzvertrag platzt. Deshalb wird jeder Einzelstaat zunächst trachten, dies zu vermeiden. Das erste politische Ziel ist deshalb, die Weltgemeinschaft aus knapp 200 Nationen zusammenzuhalten und so geschlossen wie möglich gegen Trump aufzustellen.

2. Ist es dann überhaupt so schlimm, wenn die USA nicht mehr mitmachen?

Doch, es ist und bleibt ein schwerer Schlag für die Klimapolitik. Sand gerät ins Getriebe, Unsicherheit entsteht. Ab jetzt hängt die internationale Klimapolitik wieder in der Luft. . Das hängt mit den Kernfakten zusammen: Dass die Welt es schafft, die Erderwärmung auf 1,5 bis maximal 2 Grad zu beschränken, ist auch mit Beteiligung der USA sehr ambitioniert und schwierig. Die Vereinigten Staaten sind der zweitgrößte Emittenz des klimaschädlichen Kohlendioxids. Mit Trumps Ausstieg, verlangsamt sich zwangsläufig die CO2-Reduzierung Damit wird es noch fraglicher, ob die kleinen Inselstaaten, denen der Untergang am schnellsten droht, überleben können. Davon hängt aber der politische Zusammenhalt der Weltgemeinschaft ab. Der zweite Risikofaktor mit ähnlicher Sprengkraft ist das Geld: Bis 2020 müssen die Industrieländer 100 Milliarden Dollar für die internationale Klimafinanzierung auftreiben – fällt die USA als großer Beiträger aus, wird es Druck auf die Industriestaaten geben, den Ausfall zu kompensieren. Dabei geht es um so große Summen, dass kein Haushälter sie sich so einfach aus den Rippen schneiden kann. Kommt weniger Geld zusammen, bröckelt die Zustimmung der Entwicklungsländer. Damit ist das ganze Projekt gefährdet.

3. Was heißt das für die Bundesregierung in Berlin?

Die erste Folge ist, dass die Kanzlerin einen in der Substanz erfolgreichen G20-Gipfel abschreiben muss. Zwar wird Trumps Ankündigung nicht sofort wirksam. Aber sein Schritt stellt das Pariser Abkommen so massiv in Frage, dass es unmöglich ist, klare, einheitliche und mittel- bis langfristig gültige Leitplanken für die Weltwirtschaft abzustecken. Merkels Minimalziel angesichts der neuen Lage wird nun sein, die Gipfelteilnehmer 19 : 1 gegen Trump aufzustellen. Damit wird das Treffen zur ersten Nagelprobe, ob die Welt dem unilateralistischen Kurs des US-Präsidenten etwas entgegenzusetzen hat.

4. Was wird jetzt aus dem nächsten Klimagipfel im November in Bonn?

Eigentlich sollte die nächste Weltklimakonferenz ein Arbeitsgipfel sein, der wichtige Festlegungen vorbereitet und sich auf der Ebene des Kleingedruckten bewegt. Jetzt wird es ein politisches Großereignis, bei dem es um Alles oder Nichts gehen wird. In die Erwartungen an Bonn werden sich die Ängste des Katastrophen-Gipfels von Kopenhagen (2009) und der Optimismus des Erfolgsgipfels von Paris (2015) bündeln. Die Prognose: die Furcht wird dominieren. Glück im Unglück ist, dass die Fidschi-Inseln als kleiner, vom Untergang bedrohter Pazifikstaat die Präsidentschaft innehaben, und von Deutschland als Gastgeber des Austragungsorts organisatorisch und politisch unterstützt werden: Damit werden Staaten, die die größten Interessengegensätze verkörpern, auf offener Bühne in gemeinsame Verantwortung gezwungen. Ob es hilft, Trumps Ankündigung zu bewältigen, ist nicht sicher. Aber eine Chance bietet die Konstellation schon

5. Muss das dann schon die neue Bundesregierung bewältigen?

Der Klimagipfel ist zwar nach der Bundestagswahl, aber die künftige Regierung wird Mitte November sicher noch nicht konstituiert sein. Neben dem Verhandlungsgeschick der Fidschianer kommt es deshalb auch entscheidend auf den Einsatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Umweltministerin Barbara Hendricks an. Die Hauptaufgabe wird sein: Nationen, die wegen der US-Absage an den Klimavertrag ins Wanken geraten, vom Umfallen abzuhalten.

6. Gibt es auch Anlass für Hoffnung?

Ja, auch die liegt jedenfalls zum Teil in den USA. Viele Bürger, viele Unternehmen und auch einige Bundesstaaten sind gegen den Ausstieg aus dem Klimavertrag. Sie versprechen sich größere Chancen von einem Pro-Klima-Kurs. Dass Trumps Entscheidung „Jobs, Jobs, Jobs“ schafft und Amerika „wieder groß“ macht, bezweifeln sie – so wie auch die Mehrzahl der internationalen Volkswirte. Wenn die Abkehr von der bisherigen Klimapolitik das Wachstum schwächt und den Job-Motor drosselt, können mit der Zeit auch Trumps Wähler ihre Unterstützung für den Präsidenten aufkündigen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat auch noch nicht abgeschrieben, dass Deutschland und die Welt weiterhin kooperative Klimapolitik mit den Vereinigten Staaten machen können – allerdings auf der föderalen Ebene. Dabei setzt er auf die Klimaallianz der Regionen, die er vor zwei Jahren mit Kaliforniens Gouverneur Jerry Brwon auf den Weg gebracht hat. „Ich bin überzeugt, dass das Under-Two-Memorandum jetzt eine noch weitaus gewichtigere Rolle bekommt. Dass neben Kalifornien neun weitere US-Bundesstaaten und acht der größten Städte in den USA mit dabei sind, ist ein Hebel, den wir nutzen müssen, um mit wichtigen Akteuren in den USA weiterhin Klimapolitik voranzubringen.“

Zweiter Aspekt für Hoffnung ist der Zeitfaktor: Trumps Kündigung wird nicht sofort wirksam, sondern erst am 4. November 2020. – einen Tag nach der nächsten Präsidentschaftswahl in den USA. Er hat den Vertrag gekündigt, um nachzuverhandeln. Das wird den Klimaschutz auf jeden Fall brutal bremsen. Ob daraus eine politische Chance werden kann, muss sich erst zeigen. Dass der Klimaschutz zum Erliegen kommt, ist jetzt jedenfalls wieder ein echtes Risiko.