Im Stuttgarter Gemeinderat sortieren sich die Konstellationen. Neben SÖS/Linke-plus wird es möglicherweise eine weitere Fraktionsgemeinschaft geben. Foto:  

Der Einzug vieler kleinerer Parteien und Wählergemeinschaften ins Rathaus führt zu neuen Konstellationen. Nur ein neu gewählter Stadtrat muss sich voraussichtlich als Einzelkämpfer durchschlagen.

Stuttgart - Im neuen Stuttgarter Gemeinderat wird es aller Voraussicht nach neben der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus ein weiteres Bündnis kleinerer Wählervereinigungen und Parteien geben. Nach Informationen unserer Zeitung verdichten sich die Anzeichen, dass sich die beiden neu gewählten Vertreter der Stadtisten mit den Stadträten der Jungen Liste sowie der „Partei“ zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammenschließen. Zugleich setzen SÖS und Linke, die mit dem Vertreter der Piraten die bisherige Zusammenarbeit im Rat fortsetzen wollen, darauf, dass der neue Stadtrat der Tierschutzpartei sich ihnen anschließt. Mit dann insgesamt acht Stadträten wäre die SÖS/Linke-plus nach Grünen (16 Mandate) und CDU (11 Sitze) künftig die drittstärkste Kraft im Rathaus – noch vor der SPD mit ihrer auf sieben Stadträte geschrumpften Fraktion.

Noch ist vieles Spekulation. Doch erste Gespräche zwischen den Stadtisten, der Jungen Liste und der als Spaßpartei apostrophierten „Partei“ scheinen vielversprechend verlaufen zu sein. Die Vorteile einer Fraktionsgemeinschaft liegen auf der Hand: Mit seinen dann vier Sitzen bekäme das neue Bündnis entsprechend mehr Geld: Das Budget für Fraktionsassistenten läge bei 65 000 Euro, hinzu kämen 58 000 Euro für Sachkosten und weiteres Büropersonal. Das Bündnis wäre durch einen Sprecher im sogenannten Ältestenrat vertreten und bekämen vor allem Sitz und Stimme in den gemeinderätlichen Ausschüssen, ohne den Umweg über eine Zählgemeinschaft zu nehmen.

SÖS/Linke-plus könnten die SPD als drittstärkste Kraft im Rat ablösen

Nur mittels dieser Methode hatte es in der vergangenen Legislaturperiode der ehemalige Einzelstadtrat der Stadtisten Ralph Schertlen mit Unterstützung von SÖS/Linke-plus geschafft, einen Sitz im wichtigen Ausschuss für Umwelt und Technik zu ergattern. Damit waren die Gemeinsamkeiten aber auch schon erschöpft; der Einzelgänger Schertlen ließ sich politisch nicht verorten und verhalf mitunter dem bürgerlichen Lager durch sein Votum im Ausschuss zu politischen Erfolgen. Nach inhaltlichen Differenzen mit den Stadtisten verließ er die Wählergemeinschaft und amtiert noch bis zur konstituierenden Sitzung des neu gewählten Gremiums als Einzelstadtrat.

Derweil sind SÖS und Linke ihrem strategischen Ziel, die SPD zu überholen, ebenfalls einen Schritt näher gekommen. Obwohl die SÖS bei der Kommunalwahl am 26. Mai um einen Prozentpunkt auf 4,4 Prozent gegenüber der Wahl 2019 zurückfiel und ihr dritter Listenkandidat Luigi Pantisano lange um die Wiederwahl bangen musste, hat sich das Bündnis insgesamt durch entsprechende Zugewinne der Linken stabilisiert. Sie gewann knapp ein Prozent hinzu. Ob sich das interne Machtgleichgewicht dadurch verschiebt, bleibt dahingestellt. SÖS-Vormann Hannes Rockenbauch und Linken-Chef Thomas Adler betonten jedenfalls gleich nach der Wahl, zwischen sie passe kein Blatt Papier.

Diesel-Befürworter Sakkaros ist bei den Freien Wählern eher nicht willkommen

Der große Verlierer bei der Bildung neuer Konstellationen im Rathaus könnte Joannis Sakkaros sein. Der Initiator der Dieseldemos und Spitzenkandidat der Liste „Kein Fahrverbot in Stuttgart“ hat zwar den Sprung in den Gemeinderat geschafft, wird aber dort voraussichtlich als Einzelkämpfer agieren müssen. Zwar hätte er sich eine Kooperation mit den Freien Wählern vorstellen können. Doch deren Bereitschaft, den Porsche-Mitarbeiter in ihre Reihen aufzunehmen, ist nach Recherchen unserer Zeitung nicht sonderlich ausgeprägt. Sakkaros sei Vertreter einer Ein-Thema-Partei, und der Sitz der Freien Wähler im Technikausschuss, wo das Thema Fahrverbote diskutiert und entschieden wird, ist durch den Freie-Wähler-Fraktionschef Jürgen Zeeb schon belegt. Bei Zeebs Truppe kann man sich schlicht nicht vorstellen, Sakkaros mangels programmatischer Positionen etwa in den Sozialausschuss zu schicken.

Sakkaros, der stets Parteiferne demonstrierte und sich öffentlich gegen „Grüne raus“-Sprechchöre auf den Dieseldemos wandte, dann aber in scheinbar unbeobachteten Momenten selbst mit einstimmte, könnte allenfalls noch darauf hoffen, über eine Zählgemeinschaft mit der CDU eventuell einen Sitz – etwa im Unterausschuss Mobilität – zu erhalten. Ob die CDU sich dafür offen zeigt, ist aber noch nicht entschieden: „Es gibt sowohl Gründe, die dafür als auch dagegen sprechen“, so Fraktionschef Alexander Kotz.