In Katalonien wird dagegen protestiert, dass Carles Puigdemont nun in der Justizvollzugsanstalt Neumünster einsitzt. Foto: AFP

Im Fall Carles Puigdemont zeichnet sich keine schnelle Entscheidung über eine Auslieferung an Spanien ab. Nach Angaben seines Anwalts will der 55-Jährige aber kein politisches Asyl in der Bundesrepublik beantragen.

Berlin - Der Katalonienkonflikt ist nun auch ein Fall für die deutsche Justiz. Sie muss entscheiden, ob der frühere Regionalpräsident von Katalonien, Carles Puigdemont, an Spanien ausgeliefert wird. Ein Überblick über das rechtliche Verfahren:

Wie kam es zur Festnahme?

Puigdemont war auf der Heimreise von Finnland, als er von der schleswig-holsteinischen Polizei aufgrund eines europäischen Haftbefehls festgenommen wurde. Der wurde von der spanischen Justiz am Freitag neu ausgefertigt, nachdem ein bereits bestehender Haftbefehl schon vor längerer Zeit zurückgenommen worden war, was Puigdemont ermöglichte, sich bis zum Wochenende frei durch Europa zu bewegen. Die schleswig-holsteinischen Behörden wurden vom Bundeskriminalamt (BKA) über die erwartete Einreise des 55-jährigen Katalanen benachrichtigt. Die Information gelangte über den BKA-Verbindungsmann in Madrid an die Behörde. Es halten sich hartnäckig Gerüchte, dass der spanische Geheimdienst die Rückreise Puigdemonts aus Finnland überwachte und den deutschen Behörden genaue Informationen zukommen ließ.

Was wirft die spanische Justiz Puigdemont vor?

Der Oberste Gerichtshof Spaniens hatte am Freitag Verfahren gegen Puigdemont und zwölf weitere separatistische Regionalpolitiker eingeleitet. Die Vorwürfe lauten Rebellion, Unterschlagung von öffentlichen Geldern und Gehorsamsverweigerung.

Was ist ein europäischer Haftbefehl?

Das Instrument gibt es seit 2004. Es ist eine Reaktion auf die Freizügigkeit innerhalb der EU, die es Straftätern erleichtert abzutauchen – es handelt sich also um eine Art Gegenmaßnahme. Der europäische Haftbefehl basiert auf dem gegenseitigen Vertrauen der Justizbehörden in den EU-Ländern. Damit soll der beim traditionellen Auslieferungsverfahren notwendige diplomatische Weg über die Politik praxistauglich abgekürzt werden. Von einem normalen Auslieferungsverfahren unterscheidet sich der europäische Haftbefehl vor allem in drei Punkten: Erstens gibt es strenge Fristen. Binnen 60 Tagen muss über die Auslieferung entschieden sein. Zweitens entscheidet allein die Justiz über die Bewilligung der Auslieferung – nicht die Politik. Drittens: Grundsätzlich ist es zur Auslieferung erforderlich, dass eine Tat in beiden Ländern als Straftatbestand eingestuft wird. Für zahlreiche Delikte ist keine beiderseitige Strafbarkeit erforderlich, darunter Mord, Terrorismus und Menschenhandel. Rebellion und Unterschlagung von öffentlichen Geldern stehen allerdings nicht auf der Liste dieser 32 schweren Deliktarten.

Wie läuft der rechtliche Prozess in Deutschland ab?

Puigdemont sitzt derzeit in der Justizvollzugsanstalt Neumünster. Am Montag wurde er dem Amtsrichter vorgeführt. Dabei ging es um eine Feststellung der Identität. In einem zweiten Schritt muss die Generalstaatsanwaltschaft prüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Auslieferungshaftbefehls gegeben sind. Die Entscheidung über die Auslieferung müsste dann das Oberlandesgericht in Schleswig treffen. Zunächst ist zu klären, ob die Voraussetzung des europäischen Haftbefehls gegeben ist, dass die angeführten Delikte in beiden Ländern strafbar sind. Die „Unterschlagung öffentlicher Gelder“ wäre in Deutschland wohl eher als „Untreue“ strafbar (§ 266 Strafgesetzbuch). Der Ermittlungsrichter wirft Puigdemont hier vor, er habe mit Staatsgeldern ein illegales Referendum finanziert.

Wesentlich strittiger ist die Frage, ob es auch eine Entsprechung für den Vorwurf der „Rebellion“ gibt – angesichts eines Strafmaßes von bis zu 30 Jahren Gefängnis keine unbedeutende Frage. Die Juristen haben zu prüfen, ob der im deutschen Recht gegebene Straftatbestand des Hochverrats vergleichbar ist. Der ist aber mit Gewalt oder Gewaltandrohung verbunden. Auch nach spanischem Recht ist für den Straftatbestand Rebellion „Gewalt“ erforderlich. Der spanische Ermittlungsrichter verwies in diesem Zusammenhang auf eine Demonstration im September 2017. Die Prüfung könnte zu dem Ergebnis kommen, dass Puigdemont nur wegen der Untreue-Vorwürfe ausgeliefert werden kann. Dann könnte wohl die spanische Justiz auch nur in diesem Punkten anklagen, obwohl auch das strittig ist.

Gibt es für die Bundesregierung einen politischen Spielraum?

Um diese Beantwortung dieser Frage drückt sich die Bundesregierung. Zumindest erweckt Justizministerin Katarina Barley (SPD) den Eindruck, das letzte Wort könne vielleicht doch bei der Regierung liegen. Sie sagt: „Die ersten Schritte sind jetzt erst mal rein juristische, und die gilt es jetzt erst mal abzuwarten.“ Juristen sehen den Spielraum für die Politik aber sehr begrenzt, da der europäische Haftbefehl ja ein Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit aller Partner voraussetzt. Ein politischer Eingriff nach der Entscheidung der Justiz wäre also automatisch eine Misstrauenserklärung gegenüber Madrid. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert betonte: „Spanien ist ein demokratischer Rechtsstaat.“ Der Konflikt um Katalonien müsse „innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung“ gelöst werden. Ausdrücklich hob Seibert hervor, Berlin habe das Vorgehen der spanischen Regierung unterstützt.

Könnte Puigdemont politisches Asyl in Deutschland beantragen?

Das Recht hat er selbstverständlich. Das unterstrich auch ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Ob der Asylantrag im Falle einer positiven Auslieferungsentscheidung aufschiebende Wirkung entfaltet, muss noch juristisch geprüft werden. Chancenreich ist ein solcher Antrag nicht. Unrechtmäßige Gewalt durch den spanischen Staat oder persönliche Verfolgung wegen Herkunft, Religion oder Überzeugung dürfte Puigdemont schwer nachweisen können. Sein Anwalt teilte mit, sein Mandant strebe kein Asyl in Deutschland an.