Bei den Gesprächen über eine Jamaika-Koalition könnte Winfried Kretschmann (Grüne) eine Schlüsselrolle spielen. Foto: dpa

Die Parteien im Südwesten beraten sich nach der Bundestagswahl. Die grün-schwarze Koalition im Land könnte eine wichtige Rolle für die Koalitionsgespräche in Berlin spielen.

Stuttgart - Nach der Bundestagswahl beraten die Südwest-Parteien über die Ergebnisse und Folgen der Abstimmung. Dabei dürfte es auch um Chancen für ein mögliches Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen gehen. CDU-Bundesvize Thomas Strobl will neben Grünen und FDP auch die SPD zum Gespräch einladen - obwohl diese bereits angekündigt hatten, in die Opposition gehen zu wollen.

Strobl kritisierte jedoch, dass sich die SPD „schnell vom Acker gemacht“ habe. „Also müssen wir jetzt die andere Möglichkeit ganz intensiv prüfen“, sagte er im SWR-Radio. Auch bei den Grünen stieß die Ablehnung der Sozialdemokraten auf Kritik. „Erst mal sehe ich es auch als staatspolitische Verantwortung der SPD, jetzt nicht einfach zu sagen, wir gehen in die Opposition und reden nicht mehr“, sagte Co-Spitzenkandidat Cem Özdemir.

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Die SPD wies die Vorwürfe zurück. „Ausgerechnet Cem Özdemir, der seit Wochen alles für die schwarze Ampel getan hat, ziert sich plötzlich. Das kann ich nicht ernst nehmen“, sagte die Landesvorsitzende Leni Breymaier am Montag. Auch eine Oppositionspartei übernehme staatsbürgerliche Verantwortung. „Herr Strobl erkennt mit Blick auf das Wahlergebnis schnell: Die große Koalition ist abgewählt worden. Wir respektieren den Willen der Wählerinnen und Wähler“, betonte sie.

Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold äußerte sich unterdessen positiv zu einer möglichen Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen. Ein solcher Zusammenschluss wäre „zwar wenig berechenbar, weise aber inhaltlich gute Ansatzpunkte für die Anliegen des Handwerks auf“. So seien diese Parteien für den Ausbau schneller Internetverbindungen, die Digitalisierung der Verwaltung und ein Einwanderungsgesetz. Das wäre positiv für Betriebe, sagte Reichhold.

Politologe: Kretschmann wird Schlüsselrolle spielen

FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke hält Koalitionsgespräche seiner Partei mit den Grünen für ein Jamaika-Bündnis auf Bundesebene indes für schwierig. „Ich sehe Jamaika noch nicht - es sei denn, die Grünen stampfen ihr Programm ein“, sagte er der „Pforzheimer Zeitung“. Rülke erklärte, etwa Dieselverbote und dauerhafter Familiennachzug für Flüchtlinge seien mit der FDP nicht zu machen.

Bei den Gesprächen über eine Jamaika-Koalition wird Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach Auffassung des Konstanzer Politologen Wolfgang Seibel eine Schlüsselrolle spielen. Aus Sicht der CDU sei Kretschmann der Wunsch-Verhandlungspartner, sagte Seibel der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Der einzige grüne Ministerpräsident bringe die nötige Erfahrung, Gelassenheit und Empathie mit. „Er kann als undogmatischer pragmatischer Politiker Brücken zu den Unionsparteien schlagen.“

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Im 19. Bundestag sitzen künftig 96 Abgeordnete aus Baden-Württemberg - 18 mehr als bislang. Zurückzuführen ist das darauf, dass mit AfD und FDP wieder mehr kleine Parteien vertreten sind, wie der Freiburger Politologe Michael Wehner erläuterte. Anders als vor vier Jahren ist die CDU in Baden-Württemberg nur über ihre Direktmandate im Parlament vertreten. Sie errang über die Erststimmen bei der Wahl alle 38 Direktmandate und ist nun mit ebenso vielen Sitzen vertreten.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erreichte die Südwest-CDU bei der Bundestagswahl 34,4 Prozent. Nach einer Mitteilung der Landeswahlleitung verlor sie 11,3 Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2013, bei der sie 45,7 Prozent erreicht hatte. Die Südwest-SPD wurde - ebenfalls mit deutlichen Verlusten - zweistärkste Kraft mit 16,4 Prozent der Stimmen. Grüne (13,5 Prozent), FDP (12,7 Prozent) und AfD (12,2 Prozent) verzeichneten jeweils Zugewinne. Die Wahlbeteiligung stieg um 4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2013 auf 78,3 Prozent.

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