Über die Länderkammer kann Ministerpräsident Kretschmann – hier am Sonntag bei der Stimmabgabe in Sigmaringen – auch künftig ein Wörtchen in Berlin mitreden. Foto: dpa

Grüne und SPD im Südwesten sehen in der Niederlage zwar einen Weckruf, aber keinen Grund für eine landespolitische Kurskorrektur. Sie machen die Niederlage allein am Merkel-Effekt fest. Trotzdem wollen sie künftig geschlossener auftreten.

Stuttgart - Landespolitik hat nach Ansicht der baden-württembergischen Regierungskoalition keinen Einfluss auf die Wahlentscheidung vom Sonntag gehabt. „Es ging um bundespolitische Themen, der Abwärtstrend hat aber auch uns erfasst“, sagte die Grünen-Landesvorsitzende Thekla Walker nach einer Sitzung des Landesvorstands, an der auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann teilnahm.

Eine Lehre daraus soll sein, dass die Grünen ihre Kernthemen wie Energiewende und Ökologie wieder stärker in der Vordergrund stellen. Walker: „Wir werden aus Baden-Württemberg heraus Impulse setzen.“ Grün-Rot zeige schließlich, dass man erfolgreich regieren könne, sagte Walker mit Blick auf eine Infratest-Dimap-Umfrage vom Mai, in der sich 62 Prozent der Bürger zufrieden mit der Koalition gezeigt hatten. Lediglich die Bildungspolitik sei „schwierig“, räumte die Grünen-Vorsitzende ein. Allerdings komme die Koalition mit Kultusminister Andreas Stoch in ruhigeres Fahrwasser: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“

Auch der Fraktionschef der Landtags-SPD, Claus Schmiedel, sieht in dem Wahlergebnis keine Kritik an der Koalition. Allerdings werde dadurch deutlich, wie stark die CDU im Südwesten immer noch sei: „Insofern ist das ein Weckruf mit Blick auf die nächste Landtagswahl.“

„Die Frau Merkel in Baden-Württemberg heißt Winfried Kretschmann und nicht Peter Hauk“

Grün-Rot müsse stärker die gemeinsamen Erfolge kommunizieren, anstatt darüber zu sprechen, was noch nicht erreicht sei, forderte Schmiedel. Wenn schon der Bürger laut Umfragen der Meinung sei, dass Grün-Rot eine ordentliche Arbeit mache, dann müsse man „alles unterlassen, was diesen Eindruck stört“.

Auch Verbraucherminister Alexander Bonde (Grüne) bestritt, dass das Ergebnis der Bundestagswahl auf die Landespolitik übertragbar sei: „Die Frau Merkel in Baden-Württemberg heißt Winfried Kretschmann und nicht Peter Hauk.“ Bei einer Landtagswahl würde das Ergebnis anders ausfallen, „zumal wir als Grüne hier mit einer anderen Strategie und einem anderen Angebot gerade für die politische Mitte Politik machen“, so der Minister und frühere Bundestagsabgeordnete.

Schmiedel hält die Konflikte zwischen den Koalitionspartnern für in der Öffentlichkeit überzeichnet: „In den großen Linien sind wir uns einig: Wir wollen ein Comeback der Opposition bei der nächsten Landtagswahl verhindern.“ CDU und FDP werten das Wahlergebnis hingegen als Vorzeichen für die Landtagswahl 2016.

Umstritten ist, wie sich eine mögliche Berliner Große Koalition auf das Stuttgarter Regierungsbündnis auswirkt. „Das wird für die SPD sehr schwierig, hier mit den Grünen und dort mit der CDU zu regieren“, meint Grünen-Fraktionsvize Andreas Schwarz.

Schmiedel: Mehrheit für höheren Spitzensteuersatz im Bundestag

Schmiedel hingegen rechnet damit, dass die Zusammenarbeit zwischen der Bundes- und der Landesregierung künftig ohnehin enger wird – und zwar unabhängig davon, welche Koalition in Berlin das Sagen hat. Er begründet dies mit der Mehrheit der grün und rot regierten Länder im Bundesrat.

„Wichtige Weichenstellungen für die Zukunft gehen ohne Mitwirkung der Länderkammer überhaupt nicht, da werden sowohl die Grünen wie die SPD als auch CSU ihre Anmerkungen machen.“ Schmiedel schließt daraus, dass Infrastruktur- oder Bildungsprojekte künftig „in größtmöglichem Konsens“ beschlossen werden müssen. Das entschärfe wiederum die Angriffsmöglichkeiten von CDU und FDP in Baden-Württemberg.

Im Bundestag gebe es zum Beispiel eine Mehrheit für einen höheren Spitzensteuersatz, für einen Mindestlohn und gegen das Betreuungsgeld. Schmiedel: „Damit müssen auch Frau Merkel und ihre CDU umgehen.“

Auch andere Vertreter von Grün-Rot rechnen damit, dass sich im nächsten Bundestag eine Mehrheit für eine höhere Einkommensteuer finden lässt. „Das bleibt auf der Tagesordnung, weil alle Länder in Not sind“, sagte bereits am Wahlabend SPD-Landeschef Nils Schmid. Als Finanzminister hat er bereits 400 Millionen Euro im Vorgriff auf die erwartete Steuererhöhung in die baden-württembergische Finanzplanung einberechnet.

„Es geht ja nicht nur Baden-Württemberg so, dass ein hoher Investitionsbedarf besteht“, sagte auch die Grünen-Landesvorsitzende Walker. Auch die Bundeskanzlerin werde nicht umhinkommen, Infrastrukturprojekte oder bildungspolitische Anforderungen wie den gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht behinderten Schülern (Inklusion) zu finanzieren.