Plochingen ist der jüngste Tatort: Wie lässt sich mutmaßliche Bandenkriminalität mit Schusswaffengebrauch in der Region eindämmen? Foto: SDMG/SDMG / Kohls

Eine Serie von Schussabgaben zwischen Stuttgart und Eislingen bereitet auch den Ermittlern Sorge. Das Landeskriminalamt ermittelt mit Spezialisten für Organisierte Kriminalität. Und wie sieht das ein Opfer?

Welch Signalwirkung: Die Bar mit den vielen Einschusslöchern trägt ausgerechnet den Namen einer Millionenstadt in Kolumbien, die einst die höchste Mordrate weltweit aufwies und als Zentrum des Drogenhandels unter dem Schlagwort Medellin-Kartell galt. Damit habe der Anschlag auf ihn freilich nichts zu tun, sagt der 34-jährige Gastronom. Gleichwohl gibt es beim Landeskriminalamt seit wenigen Tagen eine neue Ermittlungsgruppe, angesiedelt bei der Abteilung 4, wo es um organisierte Kriminalität und Rauschgiftkriminalität geht.

 

Nein, den Namen Medellin hat der 34-Jährige, auf den am Sonntag um 5.20 Uhr in der Hermannstraße in Plochingen aus einem Auto heraus sechsmal geschossen wurde, nicht wegen des berüchtigten Ansehens als Drogenstadt gewählt, sondern weil es die „Stadt des ewigen Frühlings“ sei, das habe ihn inspiriert, sagt er. Das mit Kunstblumen reichlich geschmückte Lokal, das er erst seit dem 24. März in Bahnhofsnähe betreibt, hat er am Sonntag schon wieder geöffnet. Damit wolle er allen zeigen, dass ihm nichts passiert sei. „Ich habe mit dem Ganzen nichts zu tun“, erklärt er. Und es stimme nicht, dass er angeschossen worden sei: „Ich bin unverletzt“, sagt der 34-Jährige.

Ein Zusammenhang liegt „eher nahe“

Doch wie passt dieser Fall in die lange Reihe von bewaffneten Zwischenfällen vor Barbershops und Shishabars – von Stuttgart-Zuffenhausen über Esslingen-Mettingen, Ostfildern-Parksiedlung, Eislingen, Reichenbach, Plochingen, dann wieder Zuffenhausen und erneut Plochingen? Warum schoss jemand in Donzdorf?

„Angesichts der gleich gelagerten Taten liegt ein Zusammenhang eher nahe“, sagt David Fritsch, Sprecher des Landeskriminalamts, „und das ist weiter Gegenstand der Ermittlungen.“ Die Fälle im Kreis Esslingen werden seit wenigen Tagen zentral im LKA ermittelt, die Ermittler des Polizeipräsidiums Reutlingen sind hierfür in die Landesbehörde eingerückt. In einer Auswertungskooperation, aber noch eigenständig, ermitteln dagegen die Sonderkommissionen Runaway in Stuttgart und Phoenix des Polizeipräsidiums Ulm.

Die Täter „stehen sicher alle im Polizeicomputer“

Dass gewaltbereite Gruppen in der Auseinandersetzung nicht mehr nur zum Messer greifen, sondern immer öfter mit sogenannten halb automatischen Schusswaffen feuern, sehen auch erfahrene Ermittler mit zunehmender Sorge. Gerät da etwas außer Kontrolle? „Wie kommen die an solche Waffen, und wenn das so weitergeht, wo stehen wir dann in zehn Jahren?“, fragt ein Insider. Die Mitglieder unterschiedlicher Nationalitäten akzeptierten das hiesige Rechtsverständnis nicht, würden sogar vor Gericht mit einem „unverschämten Auftreten“ auffallen. Er sei überzeugt: „Die Täter stehen sicher alle im Polizeicomputer, man muss sie nur identifizieren.“

Es sei einfach nur traurig über das Ganze, und es schade sehr seinem Geschäft, was in manchen Medien berichtet werde, sagt in Plochingen der 34-jährige Gastronom. Am Sonntagmorgen habe er natürlich unter Schock gestanden, doch das Krankenhaus schnell wieder verlassen können. Der Mann mit irakischen Wurzeln glaubt nicht, dass der Anschlag ihm gegolten hat. „Es waren Menschen unterwegs, das habe ich gesehen“, erklärt er. „Ich hatte geputzt und gewartet, bis der Boden trocken ist“, dann habe er etwas mehrfach knallen hören und auch Schreie, daher sei er vor sein Lokal getreten, und in dem Moment sei ein kompaktes, dunkles Auto in hohem Tempo davongefahren. Das Kennzeichen habe er nicht erkennen können. Der Wirt fordert Videokameras im Bahnhofsbereich, dann sei es für die Polizei viel eher möglich, Täter zu identifizieren.

Die Sache mit den Fluchtwagen

Die Sache mit dem Fluchtwagen lässt der LKA-Sprecher freilich offen. „Wir haben auf eine öffentliche Fahndung verzichtet“, sagt David Fritsch. Was womöglich auf eine konkrete Spur hinweist, doch dazu sagt er nichts.

Die Stuttgarter Ermittler jedenfalls haben inzwischen eine andere Autospur abgehakt. Am 19. März, zwei Tage nach den Schüssen in der Burgunderstraße in Zuffenhausen, war in Stammheim ein brennendes Auto entdeckt worden. Die Feuerwehr rückte mit 19 Mann an, um den Wagen zu löschen. Doch der Mercedes wurde komplett ein Opfer der Flammen. Er war zuvor in Zuffenhausen gestohlen worden. Inzwischen steht fest: „Wir können nun einen Zusammenhang ausschließen“, sagt der Stuttgarter Polizeisprecher Timo Brenner. Was die Razzia vor einigen Tage bei fünf Verdächtigen gebracht hat, bleibt vorerst Geheimnis der Ermittler.