Fahrradfahren mit Hindernissen: Die Wege sind noch nicht frei. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Vor allem im Stuttgarter Schlossgarten wird das Ausmaß des Unwetters am Montagabend offensichtlich. Die abgedeckte Oper und die umgeknickten Bäume zeugen von der Naturgewalt.

Stuttgart - Dem Radfahrer entfährt ein saftiges Schimpfwort. Vom Neuen Schloss kommend kann er zunächst halbwegs störungsfrei am Eckensee entlang radeln. Doch dann kommt das dicke Ende. Über dem Weg liegen auch hier dicke Äste, ein Absperrband am anderen Ende des Sees verwehrt die Durchfahrt. Schneller als der Fluch verklungen ist, ist das Band angehoben und drei Radler auf einen Rutsch drunter durchgefahren. Die weitere Fahrt ähnelt einem Slalomkurs. Das liegt weniger an den Bäumen denn an den Passantinnen und Passanten, die in für einen Dienstagvormittag ungewöhnlicher großer Zahl im Schlossgarten unterwegs hin. Jeder dicke Ast, jeder umgeknickte Baum zieht die Blicke und die Smartphonekameras auf sich.

In der großen Pause kommen die Schüler in den Park

An der Oper kommen Schülerinnen und Schüler in der großen Pause vom Katzenstift angerannt. Sturmschäden schauen statt auf dem Schulhof die Runden drehen. Kichernd halten sie die Handys hoch. „Das ist das Dach der Oper, krass – und sorry, das ist gar nicht lustig.“ Das Kichern geht weiter, wohl aufgrund der Aufregung. „Wie ein überdimensionales Stück Papier, das jemand zusammengeknüllt hat, sieht das aus.“ Dieses Knäuel misst gut und gerne vier bis fünf Meter im Durchmesser. Hinter dem vom Flatterband abgesperrten Bereich rund um zwei Baumriesen liegt schon ein Stapel des Materials, fein säuberlich in identische Stücke zerteilt und geschichtet. Ist das große Stück ein Papierknäuel, so gleicht dies einem Zettelhäufchen. Nach und nach arbeiten sich die Gärtner der Wilhelma durch den Park, sperren Wege ab, zerlegen die Stämme und räumen das Holz an die Seite. Das Aufräumen wird noch dauern.

Glück im Unglück: Autos bleiben liegen, die Fahrer können sich retten

Über den Ferdinand-Leitner-Steg geht oder radelt an diesem Vormittag niemand, ohne stehenzubleiben. Eine der dramatischsten Szenen spielte sich darunter am Vorabend ab: Autos blieben im Wasser stehen. „Dass da nicht mehr passiert ist, ist ein Wunder“, sagt eine 72-jährige Stuttgarterin, die ihre Morgenrund jeden Tag hier dreht: An einem weißen Audi ist die Windschutzscheibe zertrümmert. Feuerwehrleute zersägen die Baumstämme, die hier auf die Straße gestürzt sind.

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In der Nacht sind es rund 400 Einsätze gewesen, zu denen die Feuerwehr ausrücken musste, sagt deren Sprecher Daniel Arand. Am Vormittag sind noch rund 50 aktuelle Einsätze offen, „und es kommen auch immer noch welche hinzu“, ergänzt er. Dabei kann es auch durchaus noch brenzlig werden: „Wenn jetzt das Wasser irgendwo reindrückt und da liegt ein wichtiges Stromkabel im Keller, ist Gefahr im Verzug und wir rücken ganz schnell aus“, erläutert Anand. Das ist ein Teil der Erklärung, warum am Dienstagmorgen nicht wirklich Ruhe nach dem Sturm herrscht: Überall ertönen Sondersignale der Polizei und der Feuerwehr.

Vergleichsweise ruhig geht es hingegen an der größten Einsatzstelle am Dienstagmorgen zu. Am Rand des Schlossgartens steht eine Hochleistungspumpe der Feuerwehr, die gewaltige Wassermengen aus dem Untergrund holt: „25 Badewannen pro Minute schafft sie“, sagt Anand. Trotzdem dauert es, auch im Zusammenspiel mit weiteren Pumpen des Technischen Hilfswerks. Im Stadtbahnschacht steht das Wasser, knietief und auf einer Fläche von mindestens 200 Quadratmetern, schätzt der Feuerwehrsprecher. Deswegen fahren auch die Stadtbahnen noch nicht wieder planmäßig, und das ist auch der Grund, schätzt Anand, warum der Verkehr in der Stadt etwas aufgeregt wirkt am Tag nach dem Unwetter.