Angehörige suchen ihre toten Familienmitglieder nach dem Anschlag von Quetta. Foto: AP

Nach dem Terroranschlag auf eine Polizeischule im pakistanischen Quetta werden Schuldige genannt. Die Hauptverantwortlichen scheinen sich im übermächtigen Nachbarn Indien sowie in Afghanistan zu verbergen.

Islamabad - Der nächtliche Spuk war nach fünf Stunden vorüber. Aber die blutige Bilanz der Terrorattacke, die in der Nacht zum Dienstag 15 Kilometer außerhalb der pakistanischen Stadt Quetta im Hochsicherheitsgebiet an der Sariab-Straße 700 junge Polizeikadetten im Schlaf überraschte, wird noch wochenlang Wellen schlagen. Drei Selbstmordattentäter töteten während eines systematisch ausgeführten Amoklaufs mindestens 61 Menschen und verletzten 165. Die Krankenhäuser der Hauptstadt des entlegenen und dünn besiedelten Provinz Baluchistan hatten im Verlauf des Dienstags Schwierigkeiten, die Verletzten alle zu versorgen.

Die meisten Opfer waren Christen

Es war bereits der vierte Terrorangriff diesen Jahres in Pakistan, bei dem Dutzende von Menschen ums Leben kamen. In der Vor-Osterzeit Ende März tötete ein islamistischer Selbstmordattentäter 73 Menschen in einem Park der Stadt Lahore, der Hauptstadt der Punjab-Provinz. Die meisten Opfer waren Christen. Anfang August zerriss ein Sprengsatz 73 Menschen, die sich zu einer Trauerfeier vor einem Krankenhaus in Quetta versammelt hatten. Erst vor einem Monat ermordete ein Attentäter des pakistanischen Ablegers der radikalislamischen Talibanmilizen 36 Menschen vor einer Moschee im Nordwesten des Landes.

Armeechef Raheel Sharif, der wie Premierminister Nawaz Sharif Quetta besuchte, hatte sich die letzten Tage seiner Amtszeit sicher anders vorgestellt. Islamabad plante vor dem Attentat von Quetta, Ende dieser Woche seinen Nachfolger zu ernennen.

Der General hatte sich während der vergangenen drei Jahre im Gegensatz zu seinen Vorgängern vor allem um die Bekämpfung heimischen Terrorismus gekümmert.

Extremisten wurden über die Grenzen gedrängt

Bis zum Dienstagmorgen war es dem Armeechef gelungen, islamistische Extremisten weitgehend in die Randgebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan zu drängen. Aber gestern stand der General mit nach oben geöffneten Händen in Begleitung seines ISI-Geheimdienstchefs Rizwan Akhtar beim Gebet an den Särgen der Todesopfer auch vor den Trümmern seiner bis dahin weitgehend erfolgreichen Strategie.

Dabei herrscht immer noch Verwirrung über die Täter. Islamabad beschuldigte einen Teil der sunnitischen Terrorgruppe Lashkar-e-Janghvi, die in der Vergangenheit vorwiegend Schiiten massakrierte und Verbindungen zu Al Kaida und den pakistanischen Taliban unterhielt. „Sie standen in Verbindung mit ihren Leuten in Afghanistan“, erklärte ein General. Dabei soll diese Gruppe während der vergangenen drei Jahre weitgehend aufgerieben worden sein.

Makabres Wettrennen nach Massaker

Die Behauptung der Armee scheint auf ebenso wackligen Füßen zu stehen wie eine Mitteilung der Terrortruppe „Islamischer Staat“ (IS) über ihre Presseagentur. Dort hieß es, vier Attentäter hätten die Polizeikadetten massakriert. Zudem meldete wie bei einem makabren Wettrennen eine weitere Truppe ihren Anspruch auf das brutale Massaker an.

Die dünn besiedelte Provinz Quetta rückte in das Zentrum der Aufmerksamkeit, seit der Hafen Gwadar im Rahmen des Baus des Chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors (CPEC) mit einem Investitionsvolumen von 46 Milliarden US-Dollar mit Chinas Hinterland verbunden wird.

Zudem erhöhte Indiens hindunationalistische Regierung unter Premierminister Narendra Modi die zuvor eher kümmerlichen Zahlungen an eine separatistische Untergrundbewegung, die für Belutschistans Unabhängigkeit kämpft. Ihre Führung versteckt sich in der afghanischen Hauptstadt Kabul und in der südafghanischen Stadt Kandahar.

Aber weder Pakistans Armeechef Sharif noch sein Namensvetter Premierminister Sharif schienen am Dienstag gewillt, den großen Nachbarn Indien für den blutigen Anschlag von Quetta verantwortlich zu machen. Die Spannungen zwischen den beiden südasiatischen Atommächten befinden sich gegenwärtig wegen der Region Kaschmir wieder einmal auf einem Siedepunkt.