Die Bayern-Teams der Männer und der Frauen feiern ihre Meistertitel gemeinsam auf dem Balkon des Münchner Rathauses. Foto: imago//Michaela Merk

Nach dem turbulenten Meisterwochenende mit der Trennung von den Vorständen Kahn und Salihamidzic sollen Trainer Tuchel sowie die alten Macher Hoeneß und Rummenigge den FC Bayern wieder auf Kurs bringen.

Am Montagmorgen wirkte es beinahe, als habe es das turbulente Meisterwochenende des FC Bayern gar nicht gegeben. Ruhig und blitzblank lag der Marienplatz vor dem Münchner Rathaus da, auf dessen Balkon die Bayern-Teams der Frauen und Männer am Vorabend noch gemeinsam ihre deutschen Meistertitel vor 15 000 Fans gefeiert hatten.

Auch der erheblich aufgewirbelte Staub nach der am Samstag im Moment des Meistertriumphs der Männer publik gewordenen Trennung von den Vorständen Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic hat sich weitgehend gelegt, weil sich der entmachtete CEO Kahn nach seinem Furor offenbar gefangen hat. Er kündigte jedenfalls an, in Ruhe über alles sprechen zu wollen. Gemeint waren damit allen voran Präsident und Aufsichtsratschef Herbert Hainer sowie das mächtige Gremiumsmitglied Uli Hoeneß, die ihm das Aus am Donnerstag mitgeteilt hatten. Dieses Gespräch sei „leider nicht so gut gelaufen“ und eine einvernehmliche Trennung von Kahn anders als bei Salihamidzic nicht möglich gewesen, sagte Hainer.

Salihamidzic wirkt gelöst – fast erlöst

Auch der Präsident schlägt versöhnliche Töne in Richtung des am Freitag vom Aufsichtsrat abberufenen CEOs Kahn an. Dieser will nun offenbar dem Beispiel von Salihamidzic folgen. Der bisherige Sportvorstand war nicht in Konfrontation gegangen und mitgereist nach Köln. Dank Jamal Musialas Tor in der 89. Minute zum 2:1-Sieg und Dortmunds 2:2 gegen Mainz konnte Salihamidzic anschließend den elften deutschen Meistertitel der Bayern in Serie und 33. insgesamt ausgiebig mitfeiern. Salihamidzic wirkte dabei gelöst, fast erlöst, wenngleich er in seinem Job „gerne weitergemacht“ hätte, wie er sagte.

Stattdessen vollziehen sie beim FC Bayern eine Rolle rückwärts in die Zukunft. An diesem Dienstag soll Kahns Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge, 67, in den Aufsichtsrat berufen werden. Es gilt als sicher, dass das Gremium dem zustimmt. Der 2021 abgetretene Rummenigge soll mit Hoeneß, 71, und Trainer Thomas Tuchel die Planungen für die kommende Saison vorantreiben.

Tuchel sieht sich dabei in der Verantwortung, es gelte, gute Transferentscheidungen zu treffen, sagte er. Der neue Vorstandschef Jan-Christian Dreesen, 55, bisher Finanzvorstand und Stellvertreter des CEOs, will ein besseres Betriebsklima schaffen und verwies auf die sportliche Kompetenz des Trios Tuchel, Hoeneß und Rummenigge. Das Comeback der beiden Letztgenannten ist nach der gescheiterten Erbfolge nicht mehr zu übersehen, wenngleich Hoeneß und Rummenigge offiziell nicht in der ersten Reihe agieren. Das ändert aber nichts daran, dass die Fäden bei ihnen zusammenlaufen.

Mittelstürmer und Sportvorstand werden gesucht

Mit Hochdruck wird ein hochkarätiger Mittelstürmer gesucht. Eintracht Frankfurts Randal Kolo Muani, 24, gilt nach seinen 15 Ligatoren und 16 Vorlagen als ein Kandidat. Für den Posten des Sportvorstands soll laut Hainer „ein großes Kaliber“ kommen. Angesprochen auf Leipzigs Max Eberl und Frankfurts Markus Krösche bezeichnete Hainer beide als „sehr, sehr gute Sportvorstände“. Zudem fällt auch der Name Michael Reschke, ehemaliger Technischer Direktor des FC Bayern. Hoeneß sagte dem Fachmagazin „Kicker“ am Montag, man wolle bis Weihnachten einen Nachfolger für Salihamidzic verpflichten. Zu dessen Aus und zu dem von Kahn sagte Hoeneß: „Wir hätten auch bei drei Titeln so gehandelt, die Entscheidung musste so getroffen werden.“

Verbunden ist die Rolle rückwärts in die Zukunft auch mit Risiken. Die Münchner laufen Gefahr, ihrem maximalen Anspruch mit Rezepten von früher in der neuen Fußballwelt nicht gerecht werden zu können. Für die Bayern wird es wegen der finanziellen Machtverschiebungen im europäischen Fußball immer schwieriger, ihr Ziel Champions-League-Titel erreichen zu können.

Weitere Enttäuschungen drohen

Deshalb haben sie 2022 auf der vergeblichen Suche nach einem Nachfolger für ihren langjährigen Torgaranten Robert Lewandowski auch keinen Topstürmer wie den früheren Dortmunder Erling Haaland bekommen. Der Norweger war im vergangenen Sommer trotz einer Rekordofferte des FC Bayern lieber zum wirtschaftlich noch deutlich potenteren Manchester City mit den Eigentümern aus Abu Dhabi weitergezogen.

Es drohen zumindest in Europa weitere Enttäuschungen und damit eine Fortsetzung der Unruhe dieser Saison, deren Rückrunde Thomas Müller als „brutales Chaos“ bezeichnete. Auch deshalb hat Julian Nagelsmanns Nachfolger Tuchel einen Wunsch für die kommende Saison geäußert nach all den Turbulenzen, die er in den nur zwei Monaten beim FC Bayern schon erlebt hat. Sogar in jenem Moment, als er seinen ersten Bundesliga-Titel gewann. Tuchels Wunsch: „Ruhe.“