Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand steht in einem ständigen Interessenkonflikt, der vermeidbar wäre. Foto: Stadt FN

Stiftungen gelten als besonders langfristig orientiert. Doch der Fall ZF zeigt, dass auch sie nicht davor gefeit sind, viel Geld aus ihren Firmen herauszuziehen, meint StN-Kommentator Klaus Köster.

Stuttgart - 41,5 Millionen Euro gibt die Stadt Friedrichshafen in diesem Jahr für ihre Mitarbeiter aus. Doch die Steuerzahler müssen für diese Gehälter faktisch nicht aufkommen. Denn Friedrichshafen hat das große Glück, eine Stiftung zu besitzen, die inzwischen jedes Jahr 50 Millionen in den Haushalt von Oberbürgermeister Andreas Brand einzahlt. Eine vierköpfige Familie spart rechnerisch 3300 Euro pro Jahr, weil dem Luftfahrtpionier Ferdinand Graf von Zeppelin im Sommer 1908, nach dem Brand seines Luftschiffs in Echterdingen, eine Welle der Spendenbereitschaft entgegenschlug. Die Deutschen spendeten über 6 Millionen Goldmark, damit Zeppelin weiter Luftschiffe bauen konnte. Dieses Geld arbeitet heute für die Zeppelin-Stiftung und damit für die Stadt Friedrichshafen, der diese gehört.

Aufstieg mit gespendetem Geld

Die Stiftung ermöglichte der Stadt nicht nur den Aufstieg zu einem der wichtigsten deutschen Industriestandorte, sondern auch beherrschenden Einfluss auf den industriellen Platzhirsch am Bodensee: die Firma ZF, deren Anteile fast komplett in der Hand der Stiftung liegen. Die Stadt lebt gut von dem Unternehmen, das vor Ort 8800 Mitarbeiter beschäftigt und dessen Grundstock ihr einst von den Deutschen geschenkt wurde. Ob dies auch umgekehrt so ist, lässt sich bezweifeln.

Der Abgang von ZF-Chef Stefan Sommer ist das unrühmliche Ende eines Machtkampfs, bei dem der Chef einer Stadtverwaltung die Geschicke einer Firma fernsteuern wollte, die im Jahr zehn Milliarden Euro mehr Umsatz erzielt als die Lufthansa – und die allein in Amerika, Asien und Afrika fast so viele Menschen beschäftigt wie Friedrichshafen Einwohner hat. Dabei sagt schon der Name „Zahnradfabrik“, wie wichtig es für ZF ist, sich für ein Zeitalter zu wappnen, in dem Zahnräder immer unwichtiger werden, weil Elektroautos ohne die aufwendigen Getriebe auskommen, von denen sie in Friedrichshafen so gut leben.

Oberbürgermeister im Interessenkonflikt

Sommer schaffte Ersatzgeschäft für die Mitarbeiter heran, etwa durch die Übernahme des US-Zulieferers TRW, die ZF fit fürs autonome Fahren machte. Doch beim Versuch, ein weiteres Unternehmen zu erwerben, ließ Brand Sommer offenbar auflaufen – er will die Mittel des Unternehmens lieber verwenden, um die jährliche Dividende zu verdreifachen und das Geld am Kapitalmarkt anzulegen.

Stiftungen gelten gemeinhin als Investoren, die nicht am schnellen Euro, sondern am langfristigen Erfolg interessiert sind. Doch der Fall ZF zeigt, dass auch Stiftungsunternehmen nicht vor Begehrlichkeiten gefeit sind. In Friedrichshafen ist Brand durch seine Doppelfunktion als Oberbürgermeister und Stiftungschef einem permanenten Interessenkonflikt ausgesetzt, den er nun vordergründig zugunsten der Stiftung gelöst hat.

Selbstbeschäftigung ist keine gute Strategie

Dieser Konflikt tritt aber nicht zwangsläufig auf. Wie ZF gehört auch Bosch fast vollständig einer Stiftung. Doch ein gefährliches Aufeinandertreffen ihrer Interessen mit denen des Unternehmens wird dort schon im Ansatz vermieden, indem ihre Stimmrechte auf ein Gremium von überwiegend unabhängigen Experten, die Industrietreuhand, übertragen wurden, das seinerseits praktisch nicht am Kapital beteiligt ist. Mit dieser wohldurchdachten Trennung zwischen Stiftung und Unternehmensführung ist Bosch immer gut gefahren. Gerade heute hält sie den Geschäftsführern den Rücken frei für die höchst fordernde Aufgabe, das Unternehmen in eine neue Zeit zu transformieren. Genau vor dieser Aufgabe steht auch ZF. Will die Zahnradfabrik den bevorstehenden, sehr teuren Wandel bewältigen, muss sie dringend ihr Regelwerk überarbeiten. Weil es bessere Regeln längst gibt, ist es aber nicht nötig, das Rad neu zu erfinden.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de