Enttäuscht von der Landesregierung: Wertheims Oberbürgermeister Stefan Mikulicz. Foto: dpa

Die Stadt Wertheim im Main-Tauber-Kreis hatte sich auf die Einrichtung einer Landeserstaufnahmeeinrichtung vorbereitet. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse – zum Ärger und Entsetzen vieler Wertheimer.  

Stuttgart - Wertheim ist eine schöne kleine Stadt. Mit Staufer-Burg und Rokoko-Schlösschen. Außerhalb jedoch wird sie vor allem mit Hochwasser in Verbindung gebracht. Seit Sonntag auch mit einem Brandanschlag auf eine Turnhalle, in der Flüchtlinge unterkommen sollen. Und das, obwohl „es hier keine radikalen Gruppen gibt“, wie Oberbürgermeister Stefan Mikulicz (CDU) sagt. Dafür gibt es Gruppen wie den Verein „Willkommen in Wertheim“, die sich für Flüchtlinge engagieren, und ein Stadtoberhaupt, das betont: „Wir begegnen Flüchtlingen mit Wohlwollen.“

Damit ist Wertheim auch ein Lehrstück. Es steht dafür, wie durch eine verfehlte Planung Vertrauen verspielt werden kann. So empfindet man es jedenfalls in der 24 500 Einwohner zählenden Stadt.

Zur Vorgeschichte: Die Landesregierung hatte beschlossen, die Gebäude der Polizeiakademie in Wertheim vom 15. Oktober an als Landeserstaufnahmeeinrichtung (Lea) zu nutzen. Zwar schüttelten viele Wertheimer darüber den Kopf, dass die Akademie in eine leer stehende Kaserne nach Böblingen verfrachtet wird, statt die Kaserne als Lea zu nutzen, doch der Ort stellte sich darauf ein, die Flüchtlinge „mit offenen Armen zu empfangen“, wie der OB betonte.

Der Rathauschef lamentierte nicht, er reagierte

Am Sonntag vor einer Woche dann erreichte ihn per Mail die Nachricht, dass die Lea nicht am 15. Oktober, sondern noch am selben Tag in Betrieb gehen soll. Mikulicz war verdutzt, zumal der Amtschef des Integrationsministeriums, Wolf-Dietrich Hammann, dem Gemeinderat wenige Tage zuvor versichert hatte, es bleibe beim 15. Oktober.

Der Rathauschef lamentierte nicht, er reagierte. Innerhalb weniger Stunden wurden die Gebäude für die Ankunft von 600 Flüchtlingen vorbereitet. Hunderte Wertheimer packten mir an. Zur Wochenmitte die nächste Kurzmitteilung: Weitere etwa 300 Flüchtlinge sollten in der benachbarten Turnhalle unterkommen, die ebenfalls dem Land gehört. Da schlug Mikulicz in Stuttgart Alarm. Die Halle sei nicht geeignet, und die ehrenamtlichen Helfer seien mit ihren Kräften am Ende. Regierungspräsident Johannes Schmalzl sah’ s genauso. Er intervenierte bei der Lenkungsgruppe im Innenministerium, wo inzwischen die Fäden für die Unterbringung zusammenlaufen. Erst erfolglos, dann kam die Nachricht: Die Halle werde nur als „Ultima Ratio“ benötigt. Das heißt, wenn sonst gar nichts mehr gehe.

Da war in Wertheim das Vertrauen bereits erschüttert. Ein Spontanbesuch von Integrationsministerium Bilkay Öney (SPD) am Samstag verstärkte die Irritationen aus Sicht des Rathauschefs eher noch. In der Zwischenzeit hatten Helfer eilends Betten in der Halle aufgestellt. Stunden später der Brandanschlag. Entsetzen bei den Bürgern. Landesbranddirektor Hermann Schröder, Stabsstellen-Chef der Landesregierung, erklärte später lapidar: „Es kommen keine weiteren Flüchtlinge nach Wertheim, da es die Notunterkunft nicht mehr gibt.“ Und der Oberbürgermeister? Frustriert! Er bedaure zutiefst, dass das gute Vertrauensverhältnis zwischen Land und Kommunen „offenbar keine Rolle mehr spielt“. Auf eine Reaktion der Regierung nach dem Anschlag wartet er bisher vergebens. Kein Anruf, nichts. Mikulicz findet das „einfach unglaublich“.