In dem neuen Zeltlager können bis zu 3000 Menschen unterkommen. Foto: /StZ/ Gerd Höhler

Am Wochenende sind 300 Geflüchtete in ein neu errichtetes Zeltlager bei der Inselhauptstadt Mytilini eingezogen. Die Polizei hat ihre Präsenz verstärkt.

Mytilini - Fünf Tage nach den Bränden im griechischen Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos haben jetzt einige der obdachlosen Migranten wenigstens wieder ein notdürftiges Dach über dem Kopf: Am Wochenende konnten die ersten Menschen in das neu errichtete Zeltlager am Stadtrand der Inselhauptstadt Mytilini einziehen. Bis zum Sonntag waren dort etwa 300 Obdachlose untergekommen, vor allem Familien mit Kindern und besonders Schutzbedürftige wie schwangere Frauen und Ältere. Vor dem Einzug in das neue Lager werden alle Bewohner in Schnelltests auf das Coronavirus untersucht. Jene, bei denen das Virus entdeckt wurde – es waren bis zum Sonntag etwa ein Dutzend Menschen –, werden in einem abgesonderten Teil des Zeltlagers in Quarantäne untergebracht.

Aktuell leben auf der Insel nach offizieller Zählung 14 585 Migranten

Das neue Zeltlager, das sich auf einem ehemaligen Armeegelände befindet, wird mit Hilfe der UN-Flüchtlingsagentur UNHCR gebaut. Auch mehrere europäische Länder, darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz, haben bereits Hilfsgüter geschickt. Das Camp wird allerdings nur Platz für etwa 3000 Menschen haben, also lediglich ein Viertel jener mehr als 12 000 Migranten, die im abgebrannten Lager Moria lebten. Die Regierung sucht nach weiteren Grundstücken für den Aufbau von Zeltlagern. Sie stößt dabei aber auf den erbitterten Widerstand der Inselbevölkerung und der Kommunalpolitiker. Lesbos trägt seit mehr als fünf Jahren die Hauptlast der Migrationskrise. Auf der Insel, die 86 000 Einwohner hat, kamen allein im vergangenen Jahr 27 150 Geflüchtete an. Aktuell leben auf der Insel nach offizieller Zählung 14 585 Migranten. „Wir wollen keine neuen Lager“, sagt Demosthenes Chatzigiannis, der Vorsitzende des Stadtrates von Mytilini. Die Politiker fordern die Umsiedlung aller Migranten aufs Festland. Bürgermeister Stratis Kytelis mobilisierte sogar städtische Lastwagen, um Straßen zu blockieren. So will er die Anlieferung von Zelten und Hilfsgütern stoppen. Auch Hunderte aufgebrachte Bewohner beteiligen sich an den Straßensperren. Wegen der Blockaden musste die Regierung für den Bau des neuen Zeltlagers Hubschrauber einsetzen.

Derweil campieren auf Lesbos mehr als zehntausend Migranten auf Feldern

Griechenland fordert zwar seit Jahren, dass andere europäische Staaten mehr Menschen aus den Insellagern übernehmen. Jetzt will die Regierung aber auf keinen Fall Migranten von den Inseln aufs Festland umsiedeln. Das sei zu diesem Zeitpunkt „ein völlig falsches Signal“, heißt es in Regierungskreisen. Dann nämlich könnte es auch in anderen Insellagern Unruhen und Brandstiftungen geben.

Derweil campieren auf Lesbos mehr als zehntausend Migranten auf Feldern, Straßen und Parkplätzen. Einige haben kleine Campingzelte aufschlagen, andere haben nur Decken und Schlafsäcke. Viele Migranten weigern sich, in neue Lager zu ziehen. Sie wollen aufs Festland und von dort in andere europäische Länder, vor allem nach Deutschland. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Migranten und der Polizei. Die Demonstranten werfen Steine und Flaschen, die Beamten setzen Tränengas ein.

Am Sonntag verstärkte die Polizei ihre Präsenz auf Lesbos

Aber auch zwischen den Migranten gibt es ständig Streit. Vor allem eine Gruppe junger Afghanen versucht, andere Geflüchtete gewaltsam daran zu hindern, in das neue Lager zu ziehen. Polizeiermittler vermuten unter diesen extrem aggressiv auftretenden jungen Männern auch die Brandstifter, die in der Nacht zum vergangenen Mittwoch das Lager Moria abfackelten. Der griechische Minister für Bürgerschutz, Michalis Chrysochoidis, warnte die militanten Migranten: Wer andere daran hindere, das neue Lager zu beziehen, müsse mit Konsequenzen rechnen.

Am Sonntag verstärkte die Polizei ihre Präsenz auf Lesbos. Fünf weitere Einheiten der Bereitschaftspolizei sowie gepanzerte Fahrzeuge trafen auf der Insel ein. Auch auf den anderen „Flüchtlingsinseln“ der östlichen Ägäis ist die Polizei in erhöhter Alarmbereitschaft – aus der Sorge, dass der Funke von Moria auf andere Lager überspringen könnte. Als besonders kritisch gilt die Lage auf Samos. Dort leben 4785 Menschen in einem Lager, das für 648 Bewohner ausgelegt ist.