In der aktuellen Ausgabe ihres Wochenmagazins macht sich die Terrororganisation über die deutsche Diskussion zu Messerverboten und Klingenlängen lustig.
Die rechte Hand hat Innenminister Herbert Reul (CDU) an sein Kinn gelegt, Mikrofone strecken sich ihm entgegen. Sein Blick aber ist in der Fotomontage auf ein Foto jenes Lastwagens gerichtet, mit dem der Attentäter Anis Amri am 16. Dezember 2016 in Berlin in den Breitscheidplatz raste, zwölf Menschen tötete und 67 verletzte. Zu sehen ist das Foto in der am späten Donnerstagabend erschienen Ausgabe des Wochenmagazins „al-Naba“. „Die Nachrichten“ nennt die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) ihr Pamphlet.
Ausgabe 458 enthält den Artikel „Dschihad in Europa“, der mit dem Foto des nordrhein-westfälischen Innenministers bebildert ist. Das Machwerk verherrlicht den gewaltsamen, zum „heiligen Krieg“ – dem Dschihad – hochstilisierten Terrorismus. Es ruft nach dem Anschlag von Solingen in der vergangenen Woche zu weiteren Anschlägen gegen das „Europa der Kreuzfahrer“ auf.
Ein Messer, „das in keinem Haushalt fehlt“
Nicht, ohne sich über die nach dem Attentat in Deutschland entbrannte Diskussion über Messerverbote und Klingenlängen lustig zu machen. Ein Messer, „das in keinem Haushalt fehlt“, habe Terror verbreitet und großen Schaden angerichtet. Die Bundesregierung fordere jetzt „den Verkauf und den Besitz von Messern“ einzuschränken, die Länge der Klingen auf nicht mehr als sechs Zentimeter zu beschränken, damit „das Messer nicht in die Eingeweiden ihrer Bürger dringt“. „Es scheint so, als hätten [die Politiker – die Redaktion] die Hoffnung aufgegeben, solche Angriffe verhindern zu können“, heißt es in dem ganzseitigen Text.
In dem weiter gedroht wird: „Das Problem wird sich aber nicht auf Messer beschränken. Was ist mit einem Muslim, der eine Geburtstagstorte mit Sprengstoff zubereitet. Seid Ihr darauf vorbereitet, auch das zu verbieten oder deren Größe zu reduzieren?“
Rekrutierung „einsamer Wölfe“
Der IS, schreibt die israelische Analystin Rita Katz, „versucht mit diesem Artikel, aus dem Anschlag von Solingen Gewinn zu schlagen. Er will sogenannte ‚einsame Wölfe‘ rekrutieren und dazu anstiften, Europa und Amerika zu terrorisieren.“ Ihnen vermittele der jüngste Artikel der Terrororganisation, dass sie nicht aufgehalten werden könnten. Katz ist Mitbegründerin der auf die Analyse dschihadistischer Veröffentlichungen im Internet spezialisierten „Site Intelligence Group“ im US-Bundesstaat Maryland.
Anschläge, so heißt es in dem al-Naba-Text, seien eine weit effektivere Methode, Druck auf Regierungen im Westen auszuüben, als Demonstrationen. Wer den IS für seine Attentate kritisiere, müsse eine Alternative aufzeigen, wie Regierungen davon abgehalten werden könnten, „die Juden zu unterstützen“. „Bekämpfe und terrorisiere christliche und jüdische Bürger, terrorisiere Ihre Regierungen und Sicherheitsbehörden, vor allem in Europa und Amerika“, heißt es in dem Text.
Der deutsche Terrorismusforscher Peter Neumann hat am Londoner Kings College den Text ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass der Artikel „Warnung und Drohung zugleich ist. Nach langer Zeit ist dem IS wieder ein erfolgreicher Anschlag im Westen gelungen. Dieses Momentum versucht er jetzt zu nutzen.“
Agitation auch gegen konkurrierende Terrorgruppen
Für die Angriffe könnten außer Messern auch Hammer genutzt werden. Der sich als Glaubenskämpfer verstehende Muschahid solle „ein Mann des Hammers sein, der seine Opfer vernichtet und ihre Schädel zerschmettert, ohne Spuren zu hinterlassen“. So könne der IS immer wieder solche Operationen wiederholen, bis er „von ihrem Blut gesättigt ist“, schließt der unbekannte Autor seinen Artikel ab.
Das Magazin „al-Naba“ wird seit 2014 wöchentlich von der IS-eigenen Medienabteilung im Internet offiziell als Rundschreiben veröffentlicht. Nach ihrer Niederlage in Syrien stellte die Terrororganisation vorübergehend die Veröffentlichung ein. Seit Juni 2022 jedoch veröffentlich der IS die Schmähschrift jedoch wieder. Über sie agitiert nicht er nur gegen den Westen, gegen Juden, Israel und die USA, sondern auch gegen konkurrierende Gruppen wie die Terrororganisation al-Kaida.