Vor gut einem Jahr ist der CSU-Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer an Covid-19 erkrankt. Die Folgen spürt er noch heute – wie viele andere auch. Doch es fehle an Angeboten für Betroffene, sagt der Politiker.
Berlin - Nach einer Corona-Infektion leidet Erich Irlstorfer an Long Covid. Mit seiner Erfahrung und aufgrund des Kontakts zu anderen Patienten will der CSU-Bundestagsabgeordnete nun die Versorgung von Covid-19-Kranken verbessern, erklärt er im Interview.
Herr Irlstorfer, im Januar haben Sie sich mit dem Corona-Virus angesteckt. Wie geht es Ihnen heute?
Ich bin auf dem Weg der Besserung. Die Schmerzen des Erysipels – einer Entzündung der oberen Hautschichten – sind besser geworden. Darüber bin ich sehr froh.
Was haben Sie nach der Ansteckung erlebt?
Die Sauerstoffsättigung fiel nach meiner Ansteckung rapide ab, so dass ich gut eine Woche später in die Klinik musste. Das war am 12. Januar. Ich habe auch eine extreme Kraftlosigkeit erlebt und bin immer wieder weggedämmert. Die Blutzuckerwerte waren extrem schwankend.
Hat Ihnen die Reha geholfen?
Auf jeden Fall. Ich war fünf Wochen in Passau in einer diabetologischen Rehaeinrichtung der Rentenversicherung.
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Haben Sie heute noch Beschwerden?
Leider ja. Das ist bei Long Covid so. Ein Bein hat sich entzündet beziehungsweise hat sich ein Erysipel gebildet und die entsprechenden Wunden an Zehen und Fußsohle heilen schlecht. Meine Kondition ist nach wie vor geschwächt. Ich hoffe, dass das bald wieder gut wird. Aber ich klage nicht. Viele Menschen müssen ganz Anderes aushalten. Meine Hoffnung liegt auf der Impfung, die ich als Genesener jetzt hoffentlich bald bekomme.
Wie haben Sie sich angesteckt?
Im Januar habe ich meine Mutter in einer Palliativstation besucht. Da ist es passiert, obwohl ich sehr vorsichtig und umsichtig war und täglich getestet wurde. Ich habe dann meine Frau und meine beiden Kinder angesteckt. Diese Zeit war enorm belastend, weil ich krank war, gegenüber meiner Familie ein schlechtes Gewissen hatte und um meine Mutter trauerte, die am 9. Januar verstarb. Ich bin deshalb froh, dass ich Zeit hatte, über alles nachzudenken und es zu verarbeiten.
Wann war das?
Das war in der Reha. Ich habe damals entschieden, auf Facebook ein Video zu veröffentlichen und die Bürger in meinem Wahlkreis über meine Krankheit zu informieren. Das wurde 7500 Mal angeschaut, die Resonanz war also beachtlich. Und das hat mich ermutigt, tätig zu werden.
Warum?
Es meldeten sich viele, die aus eigener Erfahrung wissen, was Covid-19 heißt. Entweder, weil sie selbst erkrankt waren oder jemand aus ihrer Familie oder ihrem Umfeld. Die Berichte zeigten eines ganz klar: Viele werden nach der akuten Erkrankung als gesund entlassen – sind es aber nicht. Die Müdigkeit, die Probleme mit der Atmung und manch anderes mehr: Die sind noch da.
Gibt es für die Patienten genug Hilfe?
Leider nicht. Es fehlen Anlaufstellen, spezialisierte Ärzte und Therapeuten. Ich sage das ohne jeden Vorwurf. Covid-19 ist ja eine neue Erkrankung, die man erst wissenschaftlich verstehen muss und für die eine Struktur an Hilfen erst noch in der Fläche entstehen muss. Wichtig ist aber natürlich, dass wir da vorankommen.
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Was können Sie als Abgeordneter tun?
Meine Erfahrung und mein berufliches Netzwerk aus acht Jahren Mitgliedschaft im Gesundheitsausschuss einbringen. Wir stehen bei Long Covid vor enormen Aufgaben. Die Krankheit muss anerkannt werden, sie muss Teil der Medizinerausbildung werden.
Wir müssen schauen, dass die Rentenversicherung bei Anträgen auf Erwerbsminderungsrente von Long-Covid-Kranken nicht von vornherein Nein sagt. Daneben müssen wir die Medikamentenforschung stärken und prüfen, wie die Pflegeversicherung eine faire Einstufung der Kranken hinbekommt. Die Reha ist eben nur ein Schritt – wenn auch fraglos ein wichtiger. Ich bin deshalb froh, dass wir in der Großen Koalition den so genannten Reha-Deckel abgeschafft hatten. Damit sind mehr Rehas möglich.
Sie engagieren sich auch in einem Verein für Long-Covid-Kranke.
Wir wollen eine Schnittstelle zwischen Kranken, Kliniken und Ärzten sein. Es geht darum, dass Betroffene ihre Erfahrungen austauschen und einander unterstützen können. Noch sind wir im Aufbau. Aber das wird, da bin ich sicher.
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Politik
Erich Irlstorfer (51) ist Bürokaufmann. Er war lange Zeit Außendienstmitarbeiter der AOK Bayern und zog 2013 als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Freising in den Bundestag ein.
Verein
Mehr über den Selbsthilfe-Verein für Long-Covid-Patienten finden Interessierte bei Facebook über @ELIAS_LongCovidHilfe.