Das neue ultrarechte Bündnis in Italien Foto: dpa/Alessandra Tarantino

Nach einem erneuten Aussetzer von Ex-Premier Silvio Berlusconi hat die wahrscheinliche neue Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gedroht, die Gespräche zur Regierungsbildung platzen zu lassen.

Mit dem Beginn der Gespräche im Quirinalspalast, dem Amtssitz des Staatspräsidenten, sind am Donnerstag in Rom die Gespräche zur Bildung der neuen Rechtsregierung aus den postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni, der rechtspopulistischen Lega von Matteo Salvini und der Forza Italia von Silvio Berlusconi in die entscheidende Phase getreten. Doch im Mittelpunkt des Geschehens stand nicht die Wahlsiegerin und mutmaßlich erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung, Giorgia Meloni, sondern einer ihrer Vorgänger: der mehrfache Ex-Premier Silvio Berlusconi, Gründer und seit drei Jahrzehnten Chef der Partei Forza Italia.

Am Vorabend der Konsultationen von Mattarella ist am Mittwoch eine neue Audiodatei publik geworden, in welcher der 86-jährige Berlusconi zu hören ist, wie er mehr oder weniger explizit und mit hanebüchenen Argumenten dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Schuld für den Krieg in die Schuhe schob. Der russische Präsident Wladimir Putin, den Berlusconi als alten Kumpel betrachtet, sei von den „ukrainischen Angriffen“ im Donbass zur Invasion förmlich gedrängt worden.

20 Flaschen Wodka für Berlulsconi

Schon am Dienstag hatten Äußerungen Berlusconis, die an einer Sitzung seiner Partei mitgeschnitten wurden, für Schlagzeilen gesorgt: Berlusconi hatte den Parlamentariern seiner Forza Italia berichtet, dass er seine freundschaftlichen Beziehungen zu Putin wieder aufgenommen und von diesem am 29. September als Geburtstagsgeschenk einen „allerliebsten Brief“ und 20 Flaschen Wodka erhalten habe. Die neuen Einlassungen Berlusconis über den angeblichen Kriegstreiber Selenskyj waren an der gleichen Parteisitzung erfolgt. Um der Farce die Krönung aufzusetzen, hat Berlusconi in der neuen Tonaufzeichnung noch angefügt: „Ich sage euch nicht alles, was ich weiß – aber es gibt heute keine Leader mehr. Soll ich euch zum Schmunzeln bringen? Der einzige wahre Leader bin ich.“

Giorgia Meloni, die laut offiziellem Fahrplan der Konsultationen schon am Samstag oder am Sonntag von Staatspräsident Mattarella zur neuen Regierungschefin vereidigt werden soll, war jedenfalls nicht zum Schmunzeln zumute. Für sie sind die Ausführungen ihres künftigen Regierungspartners eine Katastrophe: Sie schaden der Glaubwürdigkeit ihrer ultrarechten Koalition bezüglich der Bündnistreue zur Nato, zur EU und der Weiterführung der Sanktionen durch Italien. Meloni hat deshalb noch am gleichen Tag mit dem Abbruch der Verhandlungen über die neue Regierung gedroht: „Italien ist vollumfänglich und mit erhobenem Kopf Teil Europas und der atlantischen Allianz. Wer diesen Grundsatz nicht teilt, kann nicht eine Komponente meiner Regierung werden – auch zum Preis, dass wir keine Regierung machen werden“, erklärte Meloni.

Auch EVP ist sauer auf Berlusconi

Berlusconis Äußerungen haben nicht nur Meloni rasend gemacht, sondern auch die europäische Volkspartei (EVP), der auch Berlusconis Forza Italia angehört, in Verlegenheit gebracht - allen voran den Deutschen Manfred Weber (CSU), seit 2014 Fraktionsvorsitzender der EVP im Europäischen Parlament. Weber hatte Berlusconi in der Vergangenheit stets verteidigt und war deswegen auch EVP-intern unter Beschuss geraten: Es könne ja wohl nicht angehen, dass eine Mitgliedspartei der EVP zur Steigbügelhalterin für die neue, souveränistische Rechtsregierung in Rom werde, und man den Chef dieser Partei dabei noch unterstütze. Angesichts der neuen Putin-Hymnen des Forza-Italia-Chefs musste Weber nun von Berlusconi abrücken: „Wir werden nie müde werden, Putin als Kriegsverbrecher zu bezeichnen. Und Europa wird nie aufhören, die Ukraine zu unterstützen“, betonte Weber.

Weber und die EVP setzen nun ihre ganze Hoffnung auf Antonio Tajani: Der langjährige Berlusconi-Vertraute und ehemalige Präsident des Europaparlaments gilt als verlässlicher Europäer und Atlantiker und schien – zumindest bis zu den jüngsten Eskapaden seinen Parteichefs – in der Regierung von Giorgia Meloni gesetzt für den Posten des Außenministeriums. Tajani sollte aus EVP-Sicht in der neuen italienischen Exekutive die Rolle eines Garanten für einen verlässlichen außenpolitischen Kurs spielen. Nun stellt sich – wenig überraschend – heraus, dass nicht Meloni, sondern Tajanis Parteichef Berlusconi das größte Problem für die neue Regierung darstellt. Nicht nur in der Außenpolitik, sondern ganz generell.