Die Verwaltung im Nürtinger Rathaus hat vor mehreren Monaten ein Aufenthaltsverbot gegenüber Mitgliedern der rechtsextremen Szene verhängt. OB Fridrich sieht das Handeln der Stadt nun durch eine Stellungnahme des Innenministeriums bestätigt. Foto: Ines Rudel

Die Stadt Nürtingen hatte 2024 ein Aufenthaltsverbot gegen mutmaßliche Rechtsextreme verhängt. Nun bringt die AfD den Vorgang wieder in die Öffentlichkeit. Oberbürgermeister Fridrich sieht seine Haltung durchs Innenministerium bestätigt.

Die Nürtinger Stadtverwaltung sieht sich mit Blick auf das Ende November 2024 verhängte Aufenthaltsverbot gegen Personen der rechtsextremen Szene bestätigt. Damals hatte der Nürtinger Ordnungsamtsleiter das Verbot ausgesprochen, um die Verbreitung volksverhetzender Inhalte zu verhindern. Diese Haltung der Nürtinger Verwaltung ist vom baden-württembergischen Innenministerium gestützt worden. Anlass war eine Kleine Anfrage der AfD.

 

Die Polizei hatte im November 2024 offenbar erst wenige Tage vorher von einem geplanten Treffen von Rechtsextremen in Nürtingen erfahren. Die Rede ist vom Schwabenkongress der Reconquista 21, der damals in einem Sportheim im Nürtinger Stadtgebiet geplant gewesen sein soll. Der Wirt habe die Veranstaltung abgesagt, nachdem die Polizei mit ihm gesprochen hatte, hieß es damals.

Rassistische und demokratiefeindliche Positionen

Die Reconquista 21 wird der Identitären Bewegung zugeordnet und vom Verfassungsschutz beobachtet. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung vertreten die Identitären islamfeindliche, rassistische und demokratiefeindliche Positionen.

Der Nürtinger Ordnungsamtsleiter Peter Herrle hatte im November 2024 erklärt, man habe von der Polizei entsprechende Hinweise bekommen, dass es zur Verbreitung volksverhetzender Inhalte kommen könnte. Daraufhin habe die Stadtverwaltung das Aufenthaltsverbot gegen drei bekannte Personen der rechtsextremen Szene verhängt.

Dabei ging es auch um Paul Klemm vom Magazin Compact. Compact wird vom Verfassungsschutz seit Ende 2021 als gesichert rechtsextrem eingestuft und darf mit nachrichtendienstlichen Mitteln abgehört werden. Im Juni wird ein Urteil vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem Compact betreffenden Verbotsverfahren erwartet. Compact hatte sich zunächst mit einer Klage gegen das Verbotsverfahren zur Wehr gesetzt.

Immer wieder Treffen von Rechtsextremen in Nürtingen

Bereits in der Vergangenheit ist das Nürtinger Sportheim Treffpunkt rechtsextremer Gruppen gewesen. Außerdem hatte die baden-württembergische AfD im Januar 2017 einen Nominierungsparteitag im Vorfeld der Bundestagswahl in der Nürtinger Stadthalle veranstaltet. Wie in der Vergangenheit bereits häufiger, waren auch damals die Medien von der AfD von der Veranstaltung ausgeschlossen worden.

Auf Anfrage erklärte nun der Nürtinger Oberbürgermeister Johannes Fridrich, Vorgaben der Verwaltungsspitze zu derartigen Aufenthaltsverboten wie dem vom November 2024 gebe es nicht. Dies laufe im Ordnungsamt, dem Dezernat von Bürgermeisterin Annette Bürkner, im engen Austausch mit der Polizei. Und es handele sich um Einzelfallentscheidungen.

Fridrich erklärte: „Dass das Innenministerium die von der Stadt Nürtingen dem Aufenthaltsverbot zugrunde liegenden Erwägungen nicht beanstandet, bestätigt unsere Haltung und unser Handeln.“ Ein solches Aufenthaltsverbot gegen Personen der rechtsextremen Szene sei von Seiten der Stadt Nürtingen erstmals verhängt worden, ergänzte die zuständige Bürgermeisterin Annette Bürkner.

In Hochdorf haben sich im November 2024 rund 400 Menschen getroffen, um gemeinsam an den gewaltsamen Tod eines Mitbürgers zu erinnern und für ein friedliches Zusammenleben zu werben. Foto: Roberto Bulgrin/Archiv

Übrigens berichtete der besagte Paul Klemm tags darauf Ende November in Hochdorf von der sogenannten Mahnwache, die die AfD Kirchheim dort angemeldet hatte. Die Veranstaltung am Tatort, die eindeutige Züge einer Wahlkampfversammlung hatte, sollte an die Tötung eines 56-jährigen Hochdorfers am 15. November 2024 durch einen 24-Jährigen mit afghanischem Pass auf offener Straße erinnern. Am Rande der AfD-Versammlung war eine Reporterin des Teckboten von einem AfD-Funktionär verbal bedroht worden. Daraufhin erstattete die Frau Anzeige.

Gegen politische Instrumentalisierung gewehrt

Die AfD-Versammlung war zuvor vom Landratsamt genehmigt worden. Auf Nachfrage, ob hier ebenfalls ein Aufenthaltsverbot hätte erteilt werden können, erklärte die Kreis-Sprecherin, es sei nicht bekannt gewesen, dass Klemm in Hochdorf anwesend war. Ein Aufenthaltsverbot sei daher nicht in Erwägung gezogen worden.

In Hochdorf versammelten sich zeitgleich rund 400 Menschen, um in einem überparteilichen Bündnis gemeinsam dem gewaltsamen Tod ihres Mitbürgers zu gedenken. Entgegen anderslautender Behauptungen von AfD-Funktionären in den sozialen Medien und von Compact handelte es sich dabei um ein würdevolles Gedenken, das von Ansprachen des Bürgermeisters, dem evangelischen Pfarrer, weiteren Hochdorfern und Musik geprägt war.

Geworben wurde für ein friedliches Zusammenleben und den Zusammenhalt im Ort. Die sogenannte Mahnwache der AfD am Tatort wurde als fremdenfeindliche Hetze kritisiert und Redner erklärten, sie lehnten eine politische Instrumentalisierung dieses tragischen Todesfalles ab.

Die Stadt ist die Ortspolizeibehörde

Rechtslage
In der Antwort des baden-württembergischen Innenministeriums heißt es, die Stadt Nürtingen als Ortspolizeibehörde „kann einer Person verbieten, einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Gebiet innerhalb einer Gemeinde zu betreten oder sich dort aufzuhalten“. Und zwar, „wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird“.

Fazit
Das Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen kommt zu dem Schluss: „die dem Aufenthaltsverbot zugrunde liegenden Erwägungen (sind) dem Grunde nach nicht zu beanstanden“.