Am Fuß der Soiegessäule ist der junge Mann aus Pakistan festgenommen worden. Foto: dpa

Ein junger Mann aus Pakistan war 50 Minuten nach der Amokfahrt an der Siegessäule festgenommen worden. Einige Stunden später war er wieder frei. Verhaftet wurde der Festgenommene nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass Ermittler im Eifer des Gefechts daneben liegen.

Stuttgart - Die Erleichterung war groß, die Ernüchterung noch größer. Schnell hieß es nach dem Anschlag von Berlin, die Polizei habe einen Tatverdächtigen festgenommen. Seit Dienstag Abend ist der 23 Jahre alte Mann aus Pakistan wieder auf freiem Fuß. Eine falsche Festnahme – das ist nicht zum ersten mal passiert. Vor etwas mehr als einem Jahr, im November 2015, hatte die Polizei in Aachen in einer groß angelegten Anti-Terror-Aktion sieben Verdächtige festgenommen. Später stellte sich heraus: anders als gedacht hatten die Menschen mit den Anschlägen von Paris nichts zu tun.

In Aachen hatte eine Zeugenaussage zu der Festnahme geführt, in Berlin wohl auch. Ein Augenzeuge soll den fliehenden Fahrer des Lastwagens zu Fuß verfolgt, und dabei per Handy die Polizei gerufen haben. Bei der Verfolgung ist der Verdächtige dem Zeugen wohl kurzzeitig aus den Augen geraten. Wie es dann genau zu der Festnahme kam ist nicht bekannt, aber logisch erklärbar. Wenn der Zeuge eine Personenbeschreibung abgibt, die Ermittler dann in räumlicher Nähe jemanden antreffen, auf den die Beschreibung passt, dann rechtfertigt dies eine Überprüfung. Treten dabei weitere Anhaltspunkte zu Tage, die den Tatverdacht erhärten, ist auch eine vorläufige Festnahme möglich.

Der Unterschied zwischen Verhaftung und Festnahme

Festnahmen sind keine Verhaftungen – und stets vorläufig. Im Grundgesetz ist geregelt, wie lange die Polizei jemanden festhalten darf bis die Person einem Richter vorgeführt werden muss: Bis zum Ablauf des Folgetages. Das bedeutet im Extremfall 48 Stunden minus eine Sekunde. Nach dieser Zeit ist die Vorführung bei einem Haftrichter zwingend. Der prüft dann, ob die Voraussetzungen für einen Haftbefehl vorliegen – der Verdächtige darf dann weiterhin in Gewahrsam gehalten werden.

Geringe Entschädigung denkbar

Der in Berlin vorläufig festgenommene Mann hatte nach bisherigen Erkenntnissen keine Anhaltspunkte dafür geliefert, die ihn mit der Tat in Verbindung brachten. Keine Kampfspuren, keine Blutspuren, die nach der Tötung des polnischen Lastwagenfahrers zu erwarten gewesen wären,dafür hatte er offenbar ein Alibi. Ohne Haftbefehl blieb den Ermittlern keine andere Wahl, als den Mann laufen zu lassen. In Aachen hatte sich die Polizei nachträglich bei den Verwechslungsopfern entschuldigt. Ob dies auch in Berlin geschehen ist, das ist noch nicht bekannt. Wenn der junge Mann keinen Anhaltspunkt für eine Täterschaft gegeben hat ist theoretisch auch ein Entschädigungsanspruch denkbar. Sollte der Mann keinen nachweisbaren Vermögensschaden gehabt haben liegt sein Anspruch bei 50 Euro.