Rolf Jacob, Anstaltsleiter der JVA Leipzig, äußerte sich auf der Pressekonferenz in Dresden. Foto: dpa

Der Suizid eines terrorverdächtigen Syrers in seiner Zelle in Leipzig sorgt auch im Südwesten für Diskussionen. In Baden-Württemberg gab es in diesem Jahr bereits ein Dutzend Selbsttötungen in Haft. Lassen sie sich verhindern?

Stuttgart - Nach dem Suizid des terrorverdächtigen Syrers Dschaber al-Bakr im Gefängnis fordern Baden-Württembergs Strafvollzugsbedienstete einheitliche Standards im Umgang mit Inhaftierten. „Momentan ist das wegen des Föderalismus ein Wunschtraum“, sagte der Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Alexander Schmid, am Donnerstag. Der Justizvollzug ist Ländersache. Al-Bakr, der einen Sprengstoffanschlag vorbereitet haben soll, hatte sich am Mittwochabend in seiner Zelle in Leipzig erhängt.

Baden-Württemberg sieht Schmid in Hinsicht auf die Suizidprävention gut aufgestellt. „Neuzugänge werden grundsätzlich nicht alleine in einer Zelle untergebracht, bis sie stabil sind“, sagte er. Werde ein Insasse als suizidgefährdet eingestuft, gebe es allerdings kein generelles Vorgehen. „Jeder Fall wird einzeln bewertet und eine zugeschnitte Lösung erarbeitet“, sagte er. Es fehle allerdings Personal, um den Anforderungen immer gerecht werden zu können.

In Gefängnissen in Baden-Württemberg gab es im laufenden Jahr zwölf Suizide. Die Zahl schwankt allerdings stark und lag in den vergangenen Jahren zwischen 4 und 15 Fällen. Im August hatte sich nach einer Familientragödie mit drei Toten in Ravensburg der mutmaßliche Täter in Haft das Leben genommen - dabei war er zuvor als suizidgefährdet eingestuft worden und mit anderen Häftlingen zusammen in einer Zelle untergebracht gewesen.

Besondere Maßnahmen bei suizidgefährdeten Gefangenen

Nach Angaben des baden-württembergischen Justizministeriums werden bei suizidgefährdeten Gefangenen besondere Maßnahmen getroffen. Sie reichen von der Unterbringung in einem Gemeinschaftshaftraum über die ständige Anwesenheit eines Mitgefangenen bis hin zu einem besonders gesicherten Haftraum. Zudem bestehe die Möglichkeit, gefährderte Häftlinge in ein Justizvollzugskrankenhaus zu bringen.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) gab zu bedenken, dass einer Rundum-Überwachung suizidgefährdeter Häftlinge datenschutzrechtlich enge Grenzen gesetzt seien. „Im Zweifel bringt man sich in fünf Minuten um“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. Deshalb müsste eine sehr enge Überwachung vorgenommen werden, die von Rechtsanwälten häufig mit dem Hinweis auf den Datenschutz abgelehnt werde. Auch Justizminister Guido Wolf (CDU) betonte: „Es ist eine Gratwanderung zwischen Grundrechten und umfassender Suizidprophylaxe.“

Rechtsanwälte von Beschuldigten verhinderten in einigen Fällen mit dem Hinweis auf die Menschenwürde umfassende Überwachung, bestätigte der ehemalige Justizminister Ulrich Goll (FDP). Es gebe aber auch das Instrument, suizidgefährdete Häftlinge nicht allein in der Zelle unterzubringen. Beide Politiker unterstrichen mit Blick auf den Fall in Leipzig aber, es sei schwierig, vom Südwesten aus eine Ferndiagnose geben zu können.

„In der Tat gelten Gefangene in der Untersuchungshaft als suizidanfälliger“, erklärte ein Sprecher das Justizministeriums. „Die Haftsituation führt - gerade in den ersten Tagen und Wochen - bei vielen Gefangenen zu einer erheblichen psychischen Belastung. Die besondere Herausforderung des Justizvollzugs besteht darin, die Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen.“