Finanzminister Danyal Bayaz stellt das Alte Schloss als Projektionsfläche zur Verfügung. (Archivbild) Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Das Alte Schloss wird am Samstag mit den Porträts der Opfer von Hanau angestrahlt. Die Stuttgarter Stadtverwaltung wollte die Gedenkaktion am Rathaus nicht, jetzt springt Finanzminister Danyal Bayaz ein.

Stuttgart - Das Alte Schloss wird am Samstag zum Gedenkort der Opfer in Hanau, am 19. Februar jähren sich die Morde, als Tobias R. 2020 neun Menschen mit Migrationshintergrund in Hessen erschossen hat. Die Fassade des Gebäudes soll im Rahmen des Aufrufs „19022020 – Hanau muss Erinnerung aller werden!“ des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats (BZI), dem bundesweiten Zusammenschluss der Landesvertretungen von Ausländerbeiräten, als einer von bundesweit vielen Orten an das rassistische Attentat erinnern und ab 18 Uhr mit den Porträts der Opfer angestrahlt werden.

 

Eigentlich hatte der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen (LAKA BW), der die Aktion in Baden-Württemberg koordiniert, einen anderen Ort ins Auge gefasst: das Stuttgarter Rathaus. Aber obwohl die Idee im Internationalen Ausschuss des Gemeinderats wohlwollend aufgefasst wurde, scheiterte sie an am OB-Büro. Dort wollte man die Aktion in der Landeshauptstadt nicht unterstützen.

Die Verwaltung teile die Motive der Initiative zwar. „Im OB-Bereich fiel nach Rücksprache mit den zuständigen Fachreferaten aber die Entscheidung, von Lichtprojektionen abzusehen“, sagt Susanne Kaufmann, Sprecherin von Oberbürgermeister Frank Nopper. Stuttgart bekenne sich öffentlich gegen Rassismus und Diskriminierung, auch mit Veranstaltungen wie der Internationalen Woche gegen Rassismus. „Für eine Lichtprojektion am Rathaus fehlt uns der konkrete Bezug zur Stadt Stuttgart.“

Bayaz ist der Gedenktag persönlich wichtig

Dazu, dass die Aktion jetzt trotzdem in Stuttgart ausgerichtet wird, aber eben auf Landesebene, lässt der OB sich mit den Worten zitierten: „Es steht uns nicht an, diese Entscheidung zu bewerten. Land und Stadt treffen ihre Entscheidungen für sich selbst.“

Denn nach der Absage trat der LAKA BW an Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) heran. Da dem Minister der Gedenktag auch persönlich wichtig sei, sei für ihn klar gewesen, die Veranstaltung zu unterstützen, heißt es aus dem Finanzministerium. „Rassismus tötet. Deshalb ist es so wichtig, dass wir immer und immer wieder Zeichen gegen Rassismus setzen“ sagt Bayaz: „Auch in Baden-Württemberg, mitten in Stuttgart werden wir an sie erinnern.“

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Ein fader Nachgeschmack bleibt nach Auffassung einiger Stuttgarter Stadträte dennoch. „Wir haben unsererseits klargemacht, dass wir es sehr begrüßen würden, wenn die Stadtverwaltung da mitzieht und wenn wir die Veranstaltung vor dem Rathaus auch abhalten können“, sagt die Grünen-Stadträtin Jitka Sklenarova. Sie fühle sich an die Regenbogenfahne zum Ungarn-EM-Spiel im vergangenen Jahr erinnert, „wo der OB nicht in der Lage war sich zu positionieren“.

Die Bedeutung für Menschen mit Migrationshintergrund verkannt

Scharfe Kritik übt auch Linken-Stadtrat Luigi Pantisano. Es werde immer deutlicher, dass OB Nopper überhaupt nicht zur weltoffenen Haltung der großen Mehrheit in Stuttgart passe. „Ich schäme mich als Stadtrat dafür, dass nun die Landesregierung einspringen musste, damit Stuttgart auch vertreten ist bei diesem wichtigen Zeichen gegen Rassismus“, sagt Pantisano.

Der SPD-Stadtrat Dejan Perc ist gleichzeitig LAKA-Vorsitzender und bedauert die Entscheidung der Verwaltung ebenfalls: „Ich bin enttäuscht und hätte mir ein anderes Zeichen gewünscht.“ Im OB-Büro verkenne man die Bedeutung, die Hanau für Menschen mit Migrationshintergrund auch in Stuttgart hätte.

Auch die FDP-Fraktionschefin Sibel Yüksel hätte das Rathaus gerne als temporären Gedenkort gesehen: „Ich persönlich bedauere es, dass es nicht zu dieser Lichtprojektion am Stuttgarter Rathaus kam, zumal nach den Anschlägen von Hanau alle Fraktionen im Rathaus – die AfD-Fraktion ausgenommen – eine gemeinsame Erklärung abgegeben haben.“ Sie betont gleichzeitig, dass sie insgesamt keine negative Grundhaltung der Verwaltung dem Thema gegenüber wahrnehme.

CDU stellt sich hinter Nopper

Darauf legt der CDU-Stadtrat Jürgen Sauer ebenfalls wert: „Die Stadt Stuttgart setzt sich an vielen Stellen entschieden gegen Diskriminierung ein.“ Die Entscheidung des Oberbürgermeisters und seiner Verwaltung halte er für richtig und die Begründung für nachvollziehbar.

Es ist nicht das erste Mal, dass in Stuttgart wegen der Morde in Hanau diskutiert wird. Letztes Jahr hatte eine Aktivistengruppe illegal eine Gedenktafel an der Rückseite des Rathauses angebracht. Hängen bleiben durfte sie zwar nicht. Aber die Verwaltung zeigte Fingerspitzengefühl: Das Kulturamt sucht seitdem im Rahmen der Gesamtstrategie für Erinnerungskultur in Stuttgart auch nach einem Platz, der dauerhaft auf Rassismusprobleme aufmerksam macht.