In der „Hölle von Verdun“ entfaltet sich auf einem kleinen Gebiet der ganze Horror der industrialisierten Kriegsführung – mit Trommelfeuer, Giftgasattacken und Flammenwerfern. Foto: Imago/TT

Zehn Monate lang rangen Deutsche und Franzosen 1916 um Verdun. Ein brutales Blutvergießen, das sich in beiden Ländern ins Gedächtnis gebrannt hat. Am 16. Dezember 2024 jährt sich das Ende der deutschen Großoffensive auf das französische Festungssystem.

Am frühen Morgen des 21. Februar 1916 brach das Inferno los. Aus mehr als 1200 Geschützen feuerten die deutschen Truppen auf die französischen Stellungen nördlich von Verdun. Stundenlang. Bis zum späten Nachmittag fielen mehr als eine Million Granaten. Das Blutbad sollte 300 Tage dauern.

 
Fort Douaumont vor der Eroberung durch die Deutschen. Foto: Imago/United Archives
Fort Douaumont nach der Eroberung durch die Deutschen. Foto: Imago/United Archives

Am 16. Dezember 2024 jährt sich zum 108. Male das Ende einer der blutigsten und längsten Schlachten des Ersten Weltkriegs. Nach dem Verlust aller zuvor gemachten Geländegewinne wurde der deutsche Angriff durch die Oberste Heeresleitung abgebrochen.

Symbolträchtigste Schlacht des „Great War“

Verdun ist die symbolträchtigste Schlacht des Ersten Weltkriegs. Diese herausragende Stellung ist nicht auf den ersten Blick zu verstehen. Sie war weder die blutigste Schlacht des Konflikts, noch hatte sie nach Ansicht von Historikern große Bedeutung für den Kriegsverlauf.

Die Schlacht von Verdun: 21. Februar bis 16. Dezember 1916. Foto: dpa-Infografik

Die deutsche Offensive gegen das Festungssystem um Verdun schien zunächst zu gelingen. Am 25. Februar eroberte ein deutsches Regiment Fort Douaumont. Einen Tag später übernahm General Philippe Petain das Kommando der französischen Truppen.

Im März und April gab es heftige deutsche Angriffe auf beiden Seiten der Maas. Deutsche Soldaten konnten im Juni die Festung Vaux einnehmen, im Juli stießen sie nach Fleury-devant-Douaumont und auf die Festung Souville vor.

16. Dezember 1916: Deutsche stellen Kämpfe ein

Die französischen Truppen konnten die Offensive aber stoppen und setzten am 24. Juli zur Gegenoffensive an. Am 24. Oktober wurde schließlich Fort Douaumont zurückerobert. Nun geriet das deutsche Heer selbst in Bedrängnis und musste die Offensive am 16. Dezember 1916 abbrechen.

Als Mitte Dezember 1916 auch die Franzosen ihre Angriffe einstellten, hatte die Front wieder jenen Verlauf erreicht, den sie am 21. Februar gehabt hatte. Bis dahin hatten 26 Millionen Sprenggranaten und 100.000 Giftgasgranaten die Gegend in eine Kraterlandschaft verwandelt. Von rund zwei Millionen Soldaten, die sich auf den Schlachtfeldern von Verdun gegenüberstanden, wurden etwa 350 000 getötet.

Französische Artillerie schießt zurück. Foto: Imago/KHARBINE TAPABOR
Französischer Schützengraben bei Verdun. Foto: Imago/KHARBINE TAPABOR
Zwei französische Soldaten stehen inmitten der Kraterlandschaft von Verdun. Foto: Imago/Photo12
Schlafquartier im Fort Douaumont während der Schlacht von Verdun. Foto: Imago/Bridgeman Images
Gefangene deutsche Soldaten in Verdun. Foto: Imago/United Archives International
Feldlazarett der französischen Armee bei verdun. Foto: Imago/KHARBINE TAPABOR

Info: „The Great War“

„The Great War“, wie der Erste Weltkrieg im Englischen genannt wird, begann am 28. Juli 1914 mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, der das Attentat von Sarajevo vom 28. Juni 1914 und die dadurch ausgelöste Julikrise vorausgegangen waren.

Am 11. November 1918 um 11 Uhr endete das große Morden und industrialisierte Töten mit dem Waffenstillstand von Compiègne, der gleichbedeutend war mit dem Sieg der Entente und ihrer Alliierten über das Deutsche Kaiserreich und die Mittelmächte. „The great seminal catastrophe of this century“ – die Urkatastrope des 20. Jahrhunderts – hat der amerikanische Historiker und Diplomat George F. Kennan die Jahre von 1914 bis 1918 genannt.

Ein Panzerturm von Fort Douaumont, 1916. Foto: Imago/
Deutsche Soldaten bereiten sich im Schützengraben auf einen Angriff vor. Foto: Imago/United Archives International
Ein deutscher Soldat trägt vor Verdun eine Gasmaske. Foto: Imago/Photo12
Französischer Schützengraben bei Verdun. Foto: Imago//Heritage Images

Die Gewalt und das Ausmaß dieses dramatischen Ringens sprengten die Dimensionen aller vorherigen Konflikte und traumatisierten Millionen von Menschen.

Nach vier Jahren beispiellosen Mordens gingen die alten Mächte des Kontinents unter – wie das Wilhelminische Kaiserreich, die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie, das russische Zarenreich und das Osmanische Reich. Oder sie wurden nachhaltig geschwächt – wie das britische Empire und das französische Kolonialreich. Am Ende war die alte Ordnung zerstört und Europa für Jahrzehnte erschüttert.

Zerstörte Landschaft in Verdun. Foto: Imago/KHARBINE-TAPABO
Die Ruinn von Fort Douaumont Foto: Imago/KHARBINE-TAPABOR

Horror der industrialisierten Kriegsführung

„Es hat sich eigentlich mit Verdun gar nichts geändert“, sagt der deutsche Historiker Herfried Münkler. „Aber das steht natürlich auch paradigmatisch für diesen Krieg: Stellungskrieg und Materialschlachten.“

In der „Hölle von Verdun“ entfaltet sich auf einem kleinen Gebiet der ganze Horror der industrialisierten Kriegsführung – mit Trommelfeuer, Giftgasattacken und Flammenwerfern. Soldaten versinken im Schlamm, das von Granattrichtern übersäte Gelände gleicht einer Mondlandschaft, neun Dörfer werden ausradiert.

Französische Lastwagen-Kolonne auf der Voie-Sacree a Bar le Duc. , Foto: Imago/KHARBINE TAPABOR
Eine deutsche MG-Stellung bei Verdun. Foto: Imago/KHARBINE-TAPABOR
Das französische Fort Souville nach deutschem Dauerbeschuss., Foto: Imago/KHARBINE-TAPABOR

Inbegriff für die Sinnlosigkeit des Krieges

In Frankreich wurde Verdun auch deshalb zu einem allgemeinen Bezugspunkt, weil ein großer Teil der Armee irgendwann einmal dort kämpfte. General Philippe Pétain ließ die Truppen regelmäßig austauschen, um Erschöpfung zu verhindern.

Der französische General Philippe Petain. Foto: Imago/Heritage Images

Die Schlacht von Verdun im Ersten Weltkrieg wurde zum Inbegriff für die Sinnlosigkeit des Krieges. Deutschland war Anfang 1916 in der militärischen Zwickmühle. Der Zwei-Fronten-Krieg im Westen und im Osten ließ sich auf Dauer nicht durchhalten. Der deutsche Generalstabschef Erich von Falkenhayn wollte mit einem Großangriff auf den Eckpfeiler der französischen Front eine Entscheidung im Westen herbeiführen.