Myanmar ist ein Land voller betörender Bilder und verstörender Widersprüche. Nach Zyklon Nargis und den Unruhen 2007 ist der Tourismus eingebrochen.

Am Inle-See ist täglich Ernte. Mit langen Stangen schöpfen die Männer triefende Algenbündel in ihre flachen Boote. Die Fracht ist für den Inselmacher bestimmt. Der bettet sie auf einen Teppich schwimmender Wasserhyazinthen, vermischt sie mit Schlamm und Erde, unterfüttert das Ganze mit tragenden Bambusstangen und wartet: Ein paar Wochen später ist ein weiteres jener schwimmenden Beete fertig, die kilometerweit auf dem See dümpeln. Schon kann der Besitzer Bohnen, Tomaten oder Astern darauf pflanzen. Längst haben die amphibischen Bauern ein besseres Auskommen als die Fischer, in deren Netze und Reusen sich nur noch selten ein Aal, eine Barbe oder ein Karpfen verirrt. Der See ist leergeplündert: Die Touristen aßen einfach zu gerne Fisch.

Bei der Ruderregatta ist der Überlebenskampf für ein paar Stunden vergessen: Die Männer in den Booten winkeln ein Bein um das Ruder und paddeln so auf Kommando los. Heute ist das ein umjubelter Sport. Im Alltag erlaubt ihnen diese Einbeintechnik, beide Hände für die Arbeit zu nutzen und das Boot dennoch auf Kurs zu halten.

Unvergessliche Bilder aus Myanmar. Doch aus dem einstigen Burma gingen auch ganz andere Bilder um die Welt: Die von arroganten Generälen, die nach dem Zyklon Nargis im Mai 2008 die Annahme fremder Hilfe verweigern, während im Ayeyarwady-Delta 2,5 Millionen Menschen auf Plastikplanen, Reis und die Bergung der 140000 Toten warten. Von Soldaten in Kampfuniform, die auf unbewaffnete Mönche einprügeln, als sich in den Protesten der Safran-Revolte im September 2007 die Verzweiflung über 20 Jahre wirtschaftlicher Stagnation Bahn bricht. Wer heute nach Myanmar reist, nimmt diese Bilder mit. Und er muss mit Widersprüchen leben.

Mandalay empfängt seine Gäste als halbwegs moderne Stadt, laut, aber ohne die hektische Aufgeregtheit anderer asiatischer Metropolen. Breitwandplakate werben für Zahncreme und Shampoo. Rund um den Uhrturm, mit dem die britischen Kolonialherren ihren verträumten Untertanen westliche Pünktlichkeit beibringen wollten, wachsen Geschäftshäuser hoch, lärmt der dichte Verkehr. Soldaten sind selten zu sehen.

In den Straßen dahinter erstreckt sich der Zegyo Markt. Irgendwann werden die neongrellen Supermärkte ihn zum Touristenkuriosum degradieren. Aber noch haben die Marktfrauen die Versorgung der 500000 Einwohner in der Hand: mit Tomaten, Bananen und zwei Dutzend Arten getrocknetem Fisch, mit Bergen von Krabbenpaste, Bohnenplätzchen für Leckermäuler und getrocknetem Schlangenfisch für die Potenz. Auch Angehörige von Mönchen finden hier die passenden Geschenke: Gewänder, Wasserfilter, Nadel und Faden, Rasiermesser, Gürtel und Almosenschalen – mehr irdischer Besitz ist den Kahlgeschorenen nicht gestattet.

Die Gesichter der Arbeiter: Masken aus Staub und Schweiß. In der Steinmetzstraße fräsen sie mit ihren Flexmaschinen aus mächtigen Marmorblöcken grobe Formen. Ganze Familien polieren mit Wasser und Schleifstein an Buddha-Zehen, Buddha-Ellbogen und Buddha-Bäuchen herum. Über dem Hals sitzt vorerst nur ein grober Stumpf: Buddhas Antlitz zu formen ist allein Aufgabe des Gesichtsmachers. Einen schlechten Tag kann er sich nicht leisten. Aus Hallen geben die schweren Hämmer der Goldschläger den Rhythmus vor. In tagelanger Arbeit hauen sie 32 Gramm Gold zu zehn Quadratmetern hauchdünner Folie breit – keine Walze würde das jemals schaffen. Überhaupt ist dieses Land ein Biotop der aussterbenden Berufe: Wo sonst hat es noch Roßhaarflechter, Flußbettwärter, Rasierklingenmaler und Lotosspinnerinnen?

Myanmar erfüllt die westliche Sehnsucht nach den letzten Landstrichen dieser Erde, die noch nicht von Tommy Hilfiger, Mercedes und Burger King durchgestylt wurden. Doch seit 2007 ist der Tourismus extrem eingebrochen. In den Luxushotels an den weißen Stränden des Indischen Ozeans langweilen sich die letzten Angestellten, Souvenirgeschäfte schließen, bei vielen der fast 700 Reiseveranstalter herrscht Panik. Dabei hat der Zyklon die wichtigsten Touristenorte des Landes überhaupt nicht berührt.

An die Schäden in Yangon erinnern nur noch ein paar Stümpfe gestürzter Bäume, und selbst im Delta hat die internationale und nationale Hilfe gegriffen. Neue Schulen machen auf. Es geht voran, auch wenn viel zu viele Menschen immer noch in unwürdigen Verschlägen hausen und ein Leben lang Wucherzinsen abbezahlen werden. Die seelischen Verletzungen hinter vielen erloschenen Gesichtern lassen sich nur erahnen.

Einen Besucherboykott aus politischen Gründen versteht ohnehin keiner von denen, die am Tropf des Tourismus hängen. Die Generäle machen das große Geld mit Jade, Teakholz, Gas und Erzen. Den Hotelgärtnern aber, den Lackmalern, Zimmermädchen und Busboys fehlen die Dollars. Und es fehlen dem Land die Beobachter, die Vertreter einer Welt außerhalb der dichten Grenzen, die im Falle eines Falles rechtzeitig Alarm schlagen könnten. Wer Myanmar besucht, trifft auf entgegenkommende Menschen, voller Skepsis, was die Zukunft angeht. Und gleichzeitig prägen sich ihm Bilder von fremdartiger Schönheit ein. Auf dem oberen Ayeyarwady begegnet man einem Südostasien, wie es die britischen Kolonialherren nicht viel anders vorgefunden haben dürften. Hinter den Schilfhütten der Erdnussbauern am Ufer klappern Ochsenkarren, Bambusflöße, unter denen die schweren Teakholzstämme hängen, ziehen träge über den breiten Fluss.

Abends, wenn die Hitze des Tages nachlässt, knien Frauen mit Jasminblütenketten im Hof der Shwedagon Pagode von Yagon auf den warmen Marmorplatten, in Ehrfurcht versunken vor der golden funkelnden Spitze des Heiligtums. Kahle Nonnen in rosa Roben leiern Gebete, auf einer Treppe stochern zwei von der Tagesschinderei erschöpfte Brüder wortlos in ihrem Abendessen. Im letzten Licht schimmern die Wächterlöwen und Altäre, die Turmspitzen und Ziertraufen wie rotes Gold.

Mit Glöckchengeläut nähern sich Männer in Wickelröcken und Frauen in glitzernden, bonbonfarbenen Kostümen. Sie geleiten den Prinzen zum Heiligtum, einen neunjährigen Jungen mit der spitzen Krone der Höflinge des alten Myanmar: Heute beginnt seine Zeit als Novize im Kloster und damit sein Leben als Erwachsener. Ein Jungmanager im dunklen Businessanzug eilt mit einem Strauß Gladiolen zu einem der Altäre, wo bunte Leuchtdioden Buddhas Kopf eine zuckende Lichterkrone aufsetzen. Die Religion – sie ist der innere Kompass der Menschen, um nicht gänzlich verloren zu gehen in diesem Land.

Info Anreise: Über Bangkok oder Singapur nach Yangon oder Mandalay. Essen und Trinken: Linsen- und Nudelsuppe, Reis mit Currys aus Gemüse, Huhn, Schwein und Zebu, wahlweise mit Garnelen und Fisch, nicht besonders scharf gewürzt. Das heimische Myanmar-Bier ist sehr gut, ebenso Mandalay-Lager. Bei Aythaya baut der Deutsche Bert Morsbach als erster Winzer Myanmars seit 1999 Wein an, der auf den Tischen der besseren Restaurants zu finden ist.

Veranstalter: Auf und Davon Reisen, (Telefon 0 22 61 / 501990, http://www.auf-und-davon-reisen.de) hat mehrere Myanmar-Reisen im Programm. Die Rundreise "Das Goldene Land" in 24 Tagen (maximal zwölf Personen) ab 2395 Euro. Itravel, Telefon 02 21 / 534 10 90, http://www.itravel.de. Studiosus, Telefon 089 / 50 06 00, http://www.studiosus.com. Allgemeine Auskünfte: Indochina Services, Telefon 0 81 51 / 77 02 22, http://www.indochina-services.com; http://www.burmanet.org.