Am Muttertag werden traditionell eher Kleinigkeiten verschenkt wie Süßigkeiten, Selbstgebasteltes und Blumen. Foto: Roberto Bulgrin

Der Einzelhandel freut sich auf den 11. Mai. Vor allem die Blumenhändler, die quasi die Mütter des Muttertags sind. Die Tradition kommt aber vor allem bei jüngeren Erwachsenen in Esslingen nicht mehr so gut an, selbst bei manchen Müttern nicht.

Auch wenn ihre beiden Töchter schon 35 und 40 Jahre alt sind – Andrea Weckerle ist der Muttertag wichtig. „Uns ist das von unseren Eltern noch so vermittelt worden“, sagt die 60-Jährige, die vor sieben Jahren aus Esslingen in die Nähe von Bremerhaven gezogen ist

 

Gerade ist sie zu Besuch in der Stadt. „Als Kind haben wir für die Mutter immer einen Strauß Wiesenblumen gepflückt. Es ist schade, dass der Feiertag Jüngere heute weniger interessiert.“ An diesem Sonntag treffe sie sich zum Frühstück mit ihrer jüngeren Tochter, die ebenfalls im Norden Deutschlands lebt – so wie fast jedes Jahr. Dieses Jahr klappt es sogar, dass die ältere Tochter aus Esslingen dabei ist.

Ein bisschen Muttertag darf es schon sein

Stimmt das denn, dass der Muttertag bei Jüngeren nicht mehr so hoch im Kurs steht?

Nadine Bernardo ist gerade auf dem Weg zum Sport. Die 36-Jährige gehe am Muttertag meist mit ihrer Mutter brunchen. Etwas Konkretes habe sie aber noch nicht geplant. „Wir machen das immer eher spontan.“ Der Tag sei ihr allgemein nicht so wichtig. Für sie ist es eine „Selbstverständlichkeit, meiner Mutter regelmäßig meine Dankbarkeit und Liebe zu zeigen.“

Nadine Bernardo geht am Muttertag mit ihrer Mama meist brunchen. Foto: Feicht

Damit liegt sie im Trend: Das Online-Portal Handelsdaten führte im Vorfeld des Muttertags 2024 eine Befragung durch, wer überhaupt etwas verschenkt und was. Nur etwa ein Drittel der Umfrageteilnehmer hatte geplant, die Mutter zu beschenken.

Müssen Väter am Muttertag helfen?

Die beiden Mütter Johanna (26) und Sophia (31) haben sich im Maille-Park zu einem Play-Date für ihre Kinder getroffen – beide wollen ihren Nachnamen lieber nicht nennen. Sie halten nichts vom Konzept eines Ehrentags für Mamas. „Für mich ist jeder Tag Muttertag“, sagt Johanna. „Jeden Tag bin ich Mutter und jeder Tag hat seine Höhen und Tiefen.“ Ihre Männer sehen sie nicht in der Pflicht, am Sonntag etwas Besonderes für sie vorzubereiten, weil ihre Kinder noch zu jung sind. Grundsätzlich solle man sich immer zeigen, dass man sich wertschätzt und als gleichberechtigte Eltern gegenseitig unterstützt, sodass man das Gefühl habe „der Partner sieht einen“, meint Johanna.

Der perfekte Muttertag sei ein Tag, an dem Mütter politisch mehr Sichtbarkeit bekommen würden – Stichwort: unbezahlte Care-Arbeit. Ein Elterntag wäre aus Sicht der beiden Frauen die bessere Alternative. „Aber den kann man ja einfach feiern, wann man das möchte“, sagt Sophia. Sie fände es sehr schön, wenn es am Sonntag sonniges Wetter gäbe – und einen Erdbeerkuchen. „Aber über den würde ich mich auch jetzt freuen.“

Blumen sind die beliebtesten Muttertagsgeschenke

Diese Einstellung teilt auch der 35-jährige Paul aus Esslingen. Der Vater zweier kleiner Kinder zeigt seiner Mutter lieber über das Jahr verteilt seine Liebe. Ab und an einen Blumenstrauß vorbeibringen und regelmäßige Besuche mit den Enkelkindern – darüber würde sie sich freuen, erzählt er.

Bei einer Stichprobe im Esslinger Einzelhandel bestätigt sich ebenfalls die Tendenz der Handelsdaten. Denn unter dem einen Drittel, das geplant hatte der Mutter etwas zu kaufen, gibt es einen klaren Geschenkfavoriten: Blumen (62 Prozent), gefolgt von Lebensmitteln mit 37 Prozent – also Pralinen und Co. Laut Handelsverband Deutschland wurden vergangenes Jahr bundesweit zum Muttertag knapp mehr als eine Milliarde Euro umgesetzt – das wird auch für dieses Jahr wieder erwartet. Man muss nicht groß rechnen um zu wissen: Das sind eine Menge ordentliche Blumen und Schokolade.

Fikriye Demir, Inhaberin von Floral Deko, hat vor und am Muttertag viel zu tun. Foto: Feicht

„Wir haben vier Seiten voller Blumenvorbestellungen für den Muttertag“, sagt auch Fikriye Demir. Die 28-Jährige hat vor knapp vier Monaten den Blumenladen Floral Deko in der Pliensaustraße eröffnet. Nicht verwunderlich. Immerhin ist der Tag kein gesetzlicher Feiertag. Er wurde vielmehr vor etwa hundert Jahren durch Werbemaßnahmen des Fachverbands Deutscher Floristen hierzulande etabliert. Noch heute wird das Datum in erster Linie durch Floristenverbände festgelegt. Blumenläden haben an diesem Tag auch eine Sonderöffnungsgenehmigung.

Selbstgebasteltes ergänzt mit Pralinen

Spezielle Farbtrends bei den Muttertagssträußen gibt es laut Demir nicht. „Meistens bestellen die Leute aber immer gleich zwei Sträuße“, sagt sie, „einen für die Mutter und den zweiten für die Schwiegermutter, die Frau oder die Schwester.“ Auch am Sonntag würde sie von 9 bis 13 Uhr öffnen.

Sascha Mädrich von Enkel Schulz schickt seiner Mutter ein kleines Geschenk zum Muttertag. Foto: Roberto Bulgrin

Bei Enkel Schulz in der Straße Roßmarkt sind die Schaufenster mit Kleinigkeiten wie Tassen mit Liebesbekundungen und Karten voller Herzchen geschmückt. Inhaber Sascha Mädrich sagt, dass der Muttertag eher etwas für Spontankäufer sei.

„Erst drei bis vier Tage vorher geht es richtig los, viele kommen erst am Samstag“, sagt der 48-Jährige, der den Laden schon seit 15 Jahren führt. Am beliebtesten seien Pralinen von der Theke oder andere Kleinigkeiten, die mit etwas Selbstgebasteltem der Kinder kombiniert werden würden. Den großen Ansturm wie vor Weihnachten gebe es allerdings nicht. „Das ist nicht vergleichbar“, sagt er. Seiner Mutter werde er natürlich auch ein kleines Päckchen schicken.

Muttertagstradition nicht in Gefahr

Welche Schlüsse kann man ziehen? Auch wenn längst nicht alle den Muttertag feiern, die Tradition wird sich wohl erst einmal nicht langsam ausschleichen. Dafür bleibt der Tag schon aus kommerzieller Sicht zu profitabel. Werbeaktionen werden deshalb sicher auch zukünftig am zweiten Sonntag im Mai daran erinnern, Mama mal wieder etwas Gutes zu tun. Und ganz gewiss freuen sich die Mütter auch über Blumen, Pralinen oder andere kleine Aufmerksamkeiten.

Aber die befragten Esslinger liegen wohl kaum falsch damit, dass sie das genauso an jedem anderen Tag im Jahr tun würden. Und wenn man seine Liebe mit einem Geschenk zeigen möchte: Die Einzelhändler müssen jeden Monat ihre Rechnungen zahlen. Also: Besser die Liebesreserven und das Zuneigungsbudget nicht an einem Tag verblasen, sondern eher wie einen dünnen Teppich ausrollen, auf dem Mama etwas unbeschwerter durch das Jahr schreiten kann.

Ein Tag wird kommerzialisiert

Ursprünge
Der Muttertag in seiner heutigen Form ist vermutlich auf die US-Amerikanerin Anna Marie Jarvis zurückzuführen, die am 12. Mai 1907 in Grafton (West Virginia) zu Ehren ihrer verstorbenen Mutter ein Müttergedenktreffen veranstaltet hat. Im folgenden Jahr verteilte sie vor der örtlichen Kirche weiße Nelken an andere Mütter. Sie gründete eine Bewegung und warb bei Politikern um die Einführung eines Muttertags. Erfolgreich: Am 8. Mai 1914 entschied der US-Kongress, dass fortan am zweiten Sonntag im Mai alle Mütter gefeiert werden sollen. Die Kommerzialisierung des Tages verurteilte die Gründerin allerdings wohl scharf und wollte den Tag wieder abschaffen lassen.

Kein gesetzlicher Feiertag
Der Feiertag verbreitete sich schnell auch international. In der Schweiz werden seit 1917 die Mütter zelebriert. Es folgten die skandinavischen Länder. Seit 1923 wird auch in Deutschland Muttertag gefeiert – etabliert durch Werbung des Verbands Deutscher Blumengeschäftsinhaber. Der Muttertag ist in Deutschland nicht gesetzlich verankert. Allerdings hat er eine rechtliche Sonderstellung: Blumenläden dürfen öffnen.