Eine Frau aus Eritrea, die in einer Flüchtlingsunterkunft wohnte, ist am Dienstag mit ihren drei- und siebenjährigen Töchtern tot aus der Enz bei Vaihingen geborgen worden. Die Polizei geht von einem erweiterten Suizid aus – das Motiv ist rätselhaft.
Vaihingen an der Enz - Das ungute Gefühl einer Passantin hat sich als richtig erwiesen: Eine 28-jährige Mutter sowie ihre zwei Töchter mit drei und sieben Jahren sind am Dienstagmittag tot in der Enz gefunden worden. Bereits gegen 11 Uhr hatte eine Joggerin einen herumliegenden Rucksack am Ufer auf Höhe der Auricher Straße in Vaihingen (Kreis Ludwigsburg) entdeckt, darüber lag ein Kleidungsstück. Weil ihr das seltsam vorkam, verständigte die Frau die Polizei – die kurz darauf anrückte. Auch die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz und die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) waren mit einem Hubschrauber, Tauchern und Booten an der Suchaktion beteiligt. Gegen 12.45 Uhr wurden die drei Familienmitglieder tot aus dem Fluss geborgen.
Die Familie stammte aus Eritrea
„Man geht von einem Suizidgeschehen aus“, sagt Peter Widenhorn, der Sprecher des Polizeipräsidiums in Ludwigsburg. Nach einer ersten Einschätzung eines Arztes ist die Frau wohl schon am frühen Morgen mit ihren Kindern in den Fluss gegangen – also mehrere Stunden, bevor die Leichen gefunden wurden.
Die junge Familie stammte aus Eritrea und lebte in einer Flüchtlingsunterkunft in Vaihingen. Die Hintergründe und Motive sind völlig unklar. „Das ist ganz tragisch und traurig“, sagt Gerd Maisch. Der Oberbürgermeister von Vaihingen an der Enz betont: Es habe keine Abschiebung bevorgestanden. Vielmehr habe die Familie eine „sehr gute Bleibeperspektive“ in Deutschland gehabt. Lediglich die Familienzusammenführung mit dem noch in Eritrea lebenden Mann habe sich aufgrund der Coronapandemie verzögert.
Die Mutter hatte noch am Montag Kontakt zu Sozialarbeiterinnen
Noch am Montag hatte die Mutter Kontakt zu Integrations- und Schulsozialarbeiterinnen – so wie in den vergangenen Monaten auch. Für diese Mitarbeiterinnen sei der erweiterte Suizid der 28-Jährigen extrem tragisch, sagt Maisch.
Tötet eine Person sich selbst und weitere Familienmitglieder, spricht man von erweitertem Suizid oder auch Mitnahmesuizid. Zum Suizid entschlossene Menschen töten dabei ihre Partner, Kinder oder andere Angehörige, weil sie diese – so jedenfalls rechtfertigen sie die Tat vor sich selbst – nicht allein zurücklassen wollen. Danach bringen sie sich selbst um.
Trauer in der Bevölkerung
Die Bevölkerung in Vaihingen reagiert am Dienstag mit großer Trauer, viele Bewohner drücken in Sozialen Netzwerken ihre Anteilnahme aus. Gegenüber dieser Zeitung berichtet die 19-jährige Samantha Victoria Marine am späten Nachmittag, dass sie zunächst den Polizeihubschrauber über dem Ort habe kreisen sehen – und sich gefragt habe, was da passiert sei. Sehr schnell habe sich die Nachricht dann in Vaihingen verbreitet. „In all den Jahren, die ich hier wohne, habe ich noch nie so etwas Schlimmes erlebt“, sagt sie. Sie sei mit Freunden oft am Enzufer – und werde diesen so schönen Ort nun immer mit ganz anderen Augen sehen.
Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800/111 0 111 und 0 800/111 0 222 und unter https://ts-im-internet.de/ erreichbar. Eine Liste mit Hilfsangeboten findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/