Natalie Belgardt, Mutter einer kleinen Tochter, hat den Krebs besiegt. Die 33-Jährige schaut zwei Jahre nach der Diagnose zuversichtlich ins neue Jahr. Foto: Staufenpress

Vor zwei Jahren bekam Natalie Belgardt die Diagnose Leukämie. Die Mutter einer kleinen Tochter hat den Krebs besiegt. Heute bestimmen Dankbarkeit und Zuversicht ihr Leben. Die 33-Jährige schaut zuversichtlich ins neue Jahr.

Wenn der 19. Dezember näher rückt, beschleicht Natalie Belgardt ein komisches Gefühl. Dieses Datum wird immer mit einer Nachricht verbunden bleiben, die ihr den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Am 19. Dezember 2022 bekam die damals 31-Jährige die Diagnose Leukämie. Kurz vor Weihnachten, wenige Wochen vor einem bevorstehenden Umzug, mit einem einjährigen Kind, das sie brauchte. „Ich war morgens um 9 Uhr beim HNO-Arzt, der hat das sofort erkannt und mich ins Krankenhaus geschickt“, blickt die junge Frau aus Wäschenbeuren zurück.

 

Natalie Belgardt fuhr am frühen Nachmittag ins Katharinenhospital nach Stuttgart, wo sie bis zum 17. Februar bleiben sollte. „Ich war 15 Wochen am Stück weg, ohne Kind“, sagt sie. Ihr Mann Waldemar und ihre Eltern besuchten sie abwechselnd in dieser schweren Zeit, der jeweils andere blieb bei Töchterchen Ida. „Es war Corona. Und ich war überall angeschlossen an Schläuche und durfte mit keinerlei Keimen in Berührung kommen“, erzählt die 33-Jährige. Daher habe sie es vorgezogen, mit ihrer Tochter per Videoanruf Kontakt zu halten.

Lange Zeit wussten die Ärzte nicht was los ist

Natalie Belgardt wirkt gefasst, wenn sie ihre Geschichte erzählt. „Es geht mir gut“, meint sie und lacht. Und dennoch spürt man, wie sehr sie diese Zeit verändert hat, ihren Blick auf das Leben, auf Nichtigkeiten, auf den Wert der Gesundheit. Heftiges Zahnfleischbluten seien die ersten Anzeichen gewesen, dass etwas nicht stimmte: „Ich hatte morgens den ganzen Mund voller Blut.“ Fieber, geschwollene Lymphknoten und Gewichtsabnahme begleiteten sie. Doch lange Zeit wusste kein Arzt, was mit ihr los ist, die Mediziner hätten auf eine Zahnfleisch- und Mandelentzündung getippt. Bis jener Hals-Nasen-Ohren-Arzt wusste, dass die Lage sehr ernst war. „Das war ein großer Schock. Meine erste Frage war: Überlebe ich? Was wird mit meinem Kind, mit meiner Familie?“

In der Klinik angekommen, begann am gleichen Abend die Therapie. „Die Leukozyten lagen bei 330 000. Das war kurz vor dem Organversagen.“ Chemo- und Strahlentherapie waren anstrengend, mit allen Begleiterscheinungen wie Haarausfall, Übelkeit und Müdigkeit. Die Tage allein in einem Krankenhaus-Einzelzimmer zogen sich wie Kaugummi. Und immer wieder kreisten die Gedanken um eine Frage: „Werde ich mein Kind aufwachsen sehen?“

Doch Natalie Belgardt kämpfte und wuchs über sich hinaus. „Ich war selbst erstaunt, was ich alles aushalten kann. Ich bin eigentlich sehr schmerzempfindlich“, meint sie schmunzelnd. Ihre Tochter sei ihr Antrieb gewesen, immer weiterzumachen, ihre Familie wie ein Anker auf stürmischer See, durch das ganze Dorf schwappte eine Welle der Solidarität. „Und die Pfleger und Ärzte waren super“, sagt sie dankbar. Auf Station seien Freundschaften entstanden – mit zwei Pflegekräften, die sogar bei ihrer kirchlichen Trauung in diesem Jahr eingeladen waren, aber auch zu Patienten, die das gleiche Schicksal teilten wie sie. Andere Freundschaften hielten der Herausforderung, eine solche schwere Krankheit gemeinsam zu meistern, nicht stand. Doch die junge Mutter hatte genügend Menschen um sich herum, die mit ihr zusammen kämpften. Bruder und Schwägerin sowie zwei Freunde stellten eine Typisierungsaktion auf die Beine. Lebensrettend für Natalie Belgardt. „Am 13. März 2023 musste ich wieder ins Krankenhaus, am 22. März war die Stammzelltransplantation, mein zweiter Geburtstag“, sagt sie. Ein entscheidendes Datum, eines, das nach dem schicksalhaften 19. Dezember 2022 wieder Hoffnung und Zuversicht brachte: „Ich bin dem Spender so dankbar und würde ihn gerne kennenlernen.“ 30 Tage musste sie nach dem Eingriff noch in der Klinik ausharren, dann durfte sie nach Hause. „Ich habe alles getan dafür. Bewegung, Mundhygiene“, blickt sie zurück.

Nach der Rückkehr sei ihre Tochter anfangs sehr auf ihren Mann fixiert gewesen, kein Wunder, er sei in den vielen Wochen die Hauptperson gewesen, die alles zu Hause gestemmt habe. Aber heute sei alles wieder normal. Kindgerecht habe sie Ida erklärt, dass sie schwerkrank war, erzählt Natalie Belgardt. Die Leukämie blitzt immer mal wieder auf in ihrem Kopf, eine tägliche Tablette, die ein Rezidiv verhindern soll, erinnert sie daran, oder auch das Meiden von Menschenansammlungen, weil sie einfach noch sehr anfällig für Erreger ist. „Und ich bin mental nicht mehr so belastbar.“ Aber bestimmend ist der Blutkrebs in ihrem Leben nicht mehr, auch wenn sie erst nach fünf Jahren als geheilt gilt. Mit 93 Kilometern per E-Bike bei der Alb Extrem wollte Natalie Belgardt ein Zeichen für ihre zurück gewonnene Gesundheit setzen.

Die Krankheit hat den Blick auf das Leben verändert

„Ich schaue nicht zurück, sondern nach vorne“, sagt die junge Wäschenbeurerin bestimmt. Sie geht jeden Tag mit dem Hund raus, zudem hält Ida sie auf Trab und lenkt sie ab. Da bleibt kaum Zeit, sich hängenzulassen, trübsinnigen Gedanken nachzuhängen oder gar Angst zu haben. Auch wenn sie ihren Beruf als Erzieherin noch nicht wieder aufnehmen konnte, denn sie muss sich neu impfen lassen, was erst zwei Jahre nach einer Transplantation möglich ist. „Mein Ziel ist es, nächstes Jahr wieder zu arbeiten.“

Bei allem Optimismus hat der Krebs dennoch Spuren hinterlassen. „Ich sehe das Leben jetzt anders, schätze es mehr“, sagt die 33-Jährige. „Das war eine schwere Zeit. Gott sei Dank habe ich es geschafft.“ Alle drei Monate muss Natalie Belgardt zur Kontrolle ins Katharinenhospital nach Stuttgart, kurz davor steigt jedes Mal die Anspannung.

Einen ganz großen Wunsch hat die junge Frau, die seit ihrer Krankheit täglich betet: „Dass die ganze Familie gesund bleibt. Gesundheit ist das A und O. Mein größter Wunsch ist, dass ich leben und alt werden darf.“

Pro Jahr erkranken vier von 100 000 Erwachsenen

Krankheit
 Akute Leukämien sind bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems, die sich durch eine unkontrollierte Vermehrung von unreifen Vorläuferblutzellen im Knochenmark auszeichnen. In Abhängigkeit davon, welche Art von Blutzellen betroffen ist, unterscheidet man die akute myeloische Leukämie (AML) und die akute lymphatische Leukämie (ALL).

Diagnose
 In Deutschland wird die Diagnose einer akuten Leukämie laut Homepage des Universitätsklinikums Ulm pro Jahr bei vier von 100 000 Erwachsenen gestellt. Das Risiko, an Leukämie zu erkranken, nimmt mit steigendem Lebensalter zu; das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei über 60 Jahren.