Der Angeklagte wird vorerst nicht vor Gericht aussagen. Foto: dpa

Erneut steht ein mutmaßliches Mitglied der verbotenen Kurdenpartei PKK vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart. Die Verteidigung des Angeklagten greift das türkische Regime an.

Stuttgart - Es gibt ein Ritual bei Hauptverhandlungen gegen mutmaßliche Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei PKK: Jedes Mal, wenn der Angeklagte in Handschließen in den von Einsatzkräften umsäumten Gerichtssaal geführt wird, erheben sich seine Anhänger und Gesinnungsgenossen im Zuschauerraum und spenden Beifall. Der Angeklagte lächelt und winkt. Und er schweigt zu den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft.

So auch am Dienstag, als der 46 Jahre alte Kurde in den Saal geführt wird. Ihm wird vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, sprich die Mitgliedschaft in der verbotenen PKK, vorgeworfen. „Unser Mandant wird sich gegenwärtig nicht äußern“, stellt Verteidiger Carl Heydenreich aus Bonn klar.

Deckname Delil

Die Bundesanwaltschaft wirft dem 46-jährigen Angeklagten vor, von August 2013 bis zu seiner Festnahme am 16. Februar dieses Jahres als Kader der PKK gewirkt zu haben. Der Mann habe, ausgestattet mit dem Decknamen Delil, bis Anfang Juli 2014 den PKK-Sektor Süd 2 geleitet, zu dem unter anderem die Gebiete Stuttgart, München und Freiburg gehören. Anfang Juli 2014 habe er in den Sektor Mitte gewechselt, wo er zunächst die Leitung des Gebiets Dortmund und anschließend, im August 2015, die Leitung des Gebiets Düsseldorf übernommen habe. In seinen verschiedenen Funktionen sei der Angeklagte für die organisatorischen, finanziellen und personellen Belange in seinem Zuständigkeitsbereich verantwortlich gewesen. Als Sektorverantwortlicher habe der Mann den ihm untergeordneten Kadern Aufträge und Weisungen erteilt. Über die Ergebnisse der Arbeit in seinem Zuständigkeitsbereich habe er die ihm übergeordneten Kader auf Europaebene unterrichtet.

Viel konkreter werden die beiden Bundesanwälte am Dienstag vor dem Staatsschutzsenat nicht. Nur so viel: Der 46-Jährige sei zuständig gewesen für die Beschaffung von Finanzierungsmitteln, sprich er habe Spenden eingetrieben. Zudem habe er Nachwuchs für die PKK rekrutiert.

Nachwuchs für den bewaffneten Kampf

Die kurdische Arbeiterpartei PKK (Partiya Karkeren Kurdistan), 1978 von Abdullah Öcalan gegründet und seit 1993 in Deutschland verboten, ist marxistisch-leninistisch ausgerichtet und hat die Gründung eines kurdischen Staats zum Ziel. Dabei schreckt die PKK nicht vor Anschlägen auf türkische Einrichtungen zurück. Die Organisation beruft sich hierbei auf Selbstverteidigung. In Europa besitzt sie feste Organisationsstrukturen. Die hauptamtlichen Parteikader haben laut Bundesanwaltschaft die Aufgabe, Finanzmittel zu beschaffen, Nachwuchs für den bewaffneten Kampf zu rekrutieren und öffentlichkeitswirksame Aktionen durchzuführen, um die öffentliche Meinung positiv zu beeinflussen. Solch ein Parteikader soll auch der jetzt vor dem OLG stehende Angeklagte sein.

„Türkei ist ein diktatorisches Gebilde“

Verteidiger Heydenreich kündigt gleich zu Beginn der Hauptverhandlung mehrere Anträge an. So sei Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs, der die Bildung terroristischer Vereinigungen, auch im Ausland, umfasst, nicht verfassungskonform. In einem zweiten Antrag greift Heydenreich die türkische Regierung an. „Der türkische Staat ist derzeit ein diktatorisches Gebilde und stellt deshalb kein geeignetes Schutzobjekt dar“, so der Verteidiger.

Anders als von der türkischen Regierung erst kürzlich vorgeworfen, finden in Deutschland regelmäßig Prozesse gegen PKK-Mitglieder statt. Erst Mitte Oktober dieses Jahres hat der 6. Strafsenat des Stuttgarter OLG einen 48-jährigen Türken mit kurdischer Volkszugehörigkeit zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Angeklagte sei als Parteikader für die PKK aktiv gewesen und somit der Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation schuldig. Der aktuelle Prozess wird am 24. November fortgesetzt. Bislang hat der Senat Termine bis zum März kommenden Jahres festgelegt.