Wolfgang P. betritt den Gerichtssaal. Foto: dpa

Ein mutmaßlicher „Reichsbürger“ hat bei einer Razzia in seinem Haus einen Polizisten erschossen. Nun muss er sich in Nürnberg vor Gericht verantworten.

Nürnberg - Er hat nur einen Satz gesagt: „Ich bin der freie Mann Wolfgang“. Dem freien Mann waren soeben die Handschellen abgenommen worden, allerdings nur für die Dauer der Verhandlung. Der 49-jährige Wolfgang P. sitzt seit Dienstag im Nürnberger Landgericht auf der Anklagebank. Macht der Prozess Pause, sitzt er in der Justizvollzugsanstalt.

Dieser Ort riecht nach Geschichte. Hier im Saal 600 sind von November 1945 an diejenigen zur Rechenschaft gezogen worden, die für das Dritte Reich standen. Heute sitzt hier Wolfgang P., der ein Anhänger der sogenannten Reichsbürger sein soll. Das sind Staatsfeinde, die die Bundesrepublik nicht anerkennen wollen. Wolfgang P. soll einen Polizisten erschossen haben. Es ist das erste Mal, dass die Strafjustiz einen „Reichsbürger“-Fall mit tödlichem Ausgang verhandelt.

Sogenannte Reichsbürger sind jetzt im Fokus

Das Drama, das von den Beteiligten sehr unterschiedlich geschildert wird, geschah am 19. Oktober des vergangenen Jahres. Es ist 6 Uhr morgens in Georgensgmünd, einer fränkischen Gemeinde mit rund 6500 Einwohnern. Die Polizei stürmt mit mehreren Einheiten die Wohnung von Wolfgang P. Es kommt zum Schusswechsel, ein Beamter stirbt, mehrere werden verletzt. Für die Verfassungsschützer in der Republik war dieser Tag so etwas wie eine Wende. Sogenannte Reichsbürger, die zuvor als harmlose Spinner nicht beachtet wurden, sind nun im Fokus. Die Beobachtung befinde sich „im Anfangsstadium“, heißt es beim Landesverfassungsschutz in Stuttgart. Auf 2000 Mitglieder schätzt man die Szene im Land, drei Prozent der namentlich erfassten seien Rechtsextreme. Bundesweit gehen die Behörden von mehr als 12 000 sogenannten Reichsbürgern aus.

Dass ihr Mandant zu dieser Gruppe gehören soll, zieht Susanne Koller in Zweifel. Die Verteidigerin von Wolfgang P. hält die Anklage für „konstruiert“. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft lautet in etwa: In den frühen Morgenstunden im vergangenen Oktober stürmt ein Spezialeinsatzkommando die Wohnung von Wolfgang P. Der war – zunächst legal – im Besitz mehrerer Waffen, sperrte sich aber gegen eine Überprüfung. Daher sollten die Waffen sichergestellt werden. Der Angeklagte soll sich hinter einer Tür verschanzt und genau in dem Moment gefeuert haben, als die Polizei die Türe aufbrechen wollte. Insgesamt elf Mal habe er gefeuert. Mit Mordabsicht.