Paul-Ludwig U. im Stammheimer Saal des Stuttgarter Oberlandesgerichts. Der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte soll trotz Besitzes kinderpornografischen Materials Corona-Tests in Grundschulen und Kindergarten machen. Foto: dpa

Ein Angeklagter im Verfahren um die mutmaßliche Rechtsterrorgruppe S., bei dem die Polizei kinderpornografisches Material fand, soll in Schulen und Kindergärten Coronatests durchführen.

Stuttgart - Der im Verfahren um die mutmaßliche Rechtsterrorgruppe S. präsentierte Belastungszeuge und Angeklagte Paul-Ludwig U. soll in einem Corona-Testteam des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Mund- und Rachenabstriche in Kindergärten und Schulen vornehmen. Das ergibt sich aus den Aussagen der Bewährungshelferin sowie des für den 49-Jährigen zuständigen Sozialarbeiters vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Das DRK konnte die Mitarbeit U.s auf Anfrage unserer Zeitung zunächst nicht bestätigen. „Eine Person dieses Namens können wir derzeit nicht feststellen“, sagte ein Sprecher des baden-württembergischen Landesverbandes.

Brisant ist: Im Rahmen der Durchsuchungen im Februar 2020 bei den damals 13 Beschuldigten der Rechtsterrorgruppe S. hatten die Ermittler auf dem Rechner U.s kinder- und jugendpornografisches Material gefunden.

In der Gerichtsverhandlung wurde der Stuttgarter Sozialarbeiter nun von Verteidiger Philipp Grassl gefragt, ob ihm bekannt sei, dass die Polizei bei der Auswertung des Computers „eine Vielzahl von Bildern feststellte“. Auf diesen seien nach einem Vermerk des baden-württembergischen Landeskriminalamtes „teils sehr junge männliche Personen bei eindeutigen sexuellen Handlungen zu sehen. Das Alter konnte nicht zweifelsfrei festgestellt werden, weshalb zumindest der Verdacht des Besitzes kinderpornografischer Schriften“ bestehe. Der Zeuge versicherte, dieser Sachverhalt sei ihm nicht bekannt gewesen.

„Komischer und schlüpfriger Typ“ schreibt ein Polizist

Sowohl von der Polizei aufgezeichnete Telefonate als auch ein Verfahren aus Aachen belegen U.s Nähe zur Pädophilen-Szene. So erstattete er an einem späten Freitagabend im November 2018 beim Polizeipräsidium Aachen Anzeige gegen den Besitzer kinderpornografischer Bilder. Diesen habe er über Facebook kennengelernt, ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und so dessen Adresse und Telefonnummer bekommen. Unklar ist, ob U. mit dem inzwischen Verurteilten kinderpornografisches Material austauschte. Denn um in der Szene akzeptiert zu werden, müssen Neulinge erst Fotos oder Videos bereitstellen. So soll verhindert werden, dass beispielsweise Ermittler Gruppen infiltrieren.

Der damals zuständige Ermittler in Aachen hielt fest, U. sei ein „komischer und schlüpfriger Typ“. Sein Bauchgefühl sage ihm, dass U. zur Szene pädophiler Straftäter gehöre. Für die Verteidiger im Verfahren vor dem Stuttgarter OLG ist nicht geklärt, warum das Verfahren gegen U. wegen des bei ihm aufgefunden kinderpornografischen Materials vom Amtsgericht Mosbach eingestellt wurde.

Der Generalbundesanwalt wirft zwölf Angeklagten im Verfahren um die mutmaßliche Gruppe S. vor, geplant zu haben, Moscheen in Deutschland anzugreifen, um so einen Bürgerkrieg anzuzetteln und letztlich die Bundesregierung zu stürzen. Seit nunmehr 40 Verhandlungstagen steht der Verdacht im Raum, U. habe für seine belastenden Aussagen bei der Polizei als Beschuldigter Vorteile erhalten.