Um an Geld für den Unterhalt ihrer Tochter zu kommen,... Foto: Verleih

Schön und gut zu sein reicht nicht immer. Oft bekommen Schauspielerinnen Anerkennung erst, wenn sie sich von geschickten Maskenbildnerinnen hässlich schminken lassen. Anne Hathaway hat es getan und kann jetzt eine Oscar-Auszeichnung erwarten.

Die Arbeiterin Fantine, gespielt von Anne Hathaway (30), hat gerade ihren Job verloren. Jetzt irrt sie am Hafen umher, um irgendwie an Geld zu kommen, sie hat ja eine Tochter zu ernähren in dem Filmmusical „Les Misérables“, das an diesem Donnerstag in den deutschen Kinos startet. Es ist alles furchtbar schmutzig. Eine übel feixende Alte zupft an Fantines Haar. Das könnte sie gebrauchen. Also setzt sich die arme Fantine auf einen Hocker. Zoom auf ihr Gesicht, angstvoll geweitete Augen, die Lippen beben. Die Schere ist riesig. Ritsch, ritsch, ritsch, vom Haaransatz weg werden die langen braunen Haare abgeschnitten.

Später lässt sie sich noch zwei Zähne ziehen, was sie nicht hindert, blutverschmiert in einer Art Wanne liegend eine Arie zu singen. Die Tränen, die der Schauspielerin dabei über ihre Wangen rinnen, werden echt gewesen sein, denn es sind ihre echten Haare, die zu Boden gefallen sind.

Die Sache mit den Haaren jedenfalls war das Gesprächsthema auf dem Filmfest Berlinale, wo der Film außer Konkurrenz lief und Hathaway schon wieder toll aussah mit ihrer Bubifrisur. „Als es so weit war, verwandelte ich mich in ein weinendes, zitterndes Häufchen Elend. Denn die Haare kommen nicht so schnell wieder wie das verlorene Gewicht“, sagte die Hollywoodschauspielerin, die für diese Rolle nebenbei auch noch elf Kilo abgenommen hatte.

Schönheit ist in den Verdacht der Dummheit geraten

Zwar sei das Schöne die göttliche ursprüngliche Idee, und das Hässliche, seine Negation, habe ein sekundäres Dasein, hat Karl Rosenkranz in der „Ästhetik des Hässlichen“ entdeckt. Und ein sekundäres Dasein mag das Hässliche im Leben (und bei der Rollenbesetzung im Filmgeschäft) fristen. Aber es kann auch spektakulär gewinnbringend sein: Anne Hathaway, die auch schon in „Brokeback Mountain“ und „Der Teufel trägt Prada“ überzeugte, hat für ihren Mut zur Hässlichkeit (und für ihren Gesang sicher auch) den Golden Globe bekommen. Außerdem ist sie für einen Nebenrollen-Oscar nominiert.

Ihr Heldinnenmut wird wohl bei der wichtigsten Hollywood-Preisverleihung belohnt werden. Schon andere Schauspielerinnen bekamen die Trophäe, nachdem sie sich fett, abgemagert, mit Nasenprothese oder fettigen Haaren filmen ließen. Denn die Vorstellung, dass Schönheit und Können ein feines Paar abgeben, ist passé – zumal in Zeiten, in denen Schönheit oft genug Ergebnis von Chirurgen ist. Schönheit ist in den Verdacht der Dummheit geraten. Nur einer mit wüster Nase kann gute Gedichte machen, weiß man spätestens seit Cyrano de Bergerac.

Bei der Präsentation von Filmen wie „Les Misérables“ löst das Hässliche dann aber gewöhnlich seinen Widerspruch gegen das Schöne wohlgefällig auf. Auch wenn Hathaway in Interviews modemufflig erklärt, sich noch nicht um ein Kleid für die Oscar-Gala gekümmert zu haben, wird diese Inszenierung an diesem Sonntag zu sehen sein: Ein Aschenputtel auf der Leinwand, das auf dem roten Teppich zur Göttin wird. Die Verwandlung nährt auch, wie tröstlich, diese Hoffnung: dass nicht nur, wer hässlich gemacht wurde, sondern auch wer schon hässlich zur Welt kam, am Ende schön werden könnte. Wofür, wenn nicht für diese schöne Illusion, soll man Hollywood bewundern.

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