Bei dem Bau einer Moschee in Kassel 2009 wehten eine türkische und eine deutsche Fahne nebeneinander.Bei dem Bau einer Moschee in Kassel 2009 wehten eine türkische und eine deutsche Fahne nebeneinander. Foto: dpa

Millionen Menschen in Deutschland bekennen sich zum Islam. Was hat ihr Glauben mit dem Terror zu tun? Sollte in deutschen Moscheen deutsch gepredigt werden? Müssen die Imame hier ausgebildet sein? Eine Bestandsaufnahme über eine derzeit häufig diskutierte Religion.

Stuttgart/Berlin - Auf Knopfdruck vermag das Statistische Bundesamt zu berichten, wie viele Katholiken, Protestanten und Juden in Deutschland leben. Bei den Muslimen ist das nicht so einfach. Da gibt es nur Schätzungen  und Hochrechnungen. Die letzte stammt von 2008. Da haben Experten für das Bundesinnenministerium die Zahl der Allah-Gläubigen mit Wohnsitz in Deutschland auf 3,7 bis 4,3 Millionen beziffert. Verlässliche Zahlen gibt es nicht, weil das muslimische Leben nicht in Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert ist, die exakt Buch führen über ihre Mitglieder. Folgerichtig ist auch unklar, wie viele Moscheen es gibt. Knapp 3000 sollen es sein, 260 haben ein Minarett.

So vage wie das Wissen über das islamische Milieu in Deutschland sind auch die Regeln des Zusammenlebens. Seit 2006 diskutiert darüber die Deutsche Islamkonferenz. Inzwischen ist der Diskurs etwas eingeschlafen. Die letzte Plenarsitzung war vor drei Jahren. Seitdem ist umstritten, wer für die Muslime sprechen darf. Die islamischen Dachverbände repräsentieren nur eine kleine Minderheit.

Die CDU fordert ein Islamgesetz wie jenes in Österreich

„Keiner hat das Recht, Muslime zu vertreten“, sagt der Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi. Er leitet den Fachbereich islamische Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Die Dachverbände „können sich kaum als wahre Vertreter des deutschen Islam bezeichnen“, betont er gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Wegen deren Lobbyarbeit habe sich bei uns „ein konservativer Islam etabliert“. Verbände wie der Zentralrat der Muslime oder die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) seien meilenweit von einem aufgeklärten Islam entfernt und – so Ourghi in einem Rundfunkinterview – „unserem Staat nicht loyal gegenüber“.

Vor dem Hintergrund der Gewalt islamistischer Terroristen ist eine Debatte über eine striktere Regulierung der muslimischen Szene entbrannt. Die CSU fordert ein Islamgesetz nach österreichischem Vorbild. Dort gibt es das seit 1912. In der neuesten Fassung von 2015 ist geregelt, dass staatliche Gesetze Vorrang vor religiösen Vorschriften der Muslime haben. Eine „positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat“ wird vorausgesetzt. Die Moscheegemeinden müssen sich aus inländischen Geldquellen finanzieren. Die „Darstellung der Lehre“ hat in deutscher Sprache zu erfolgen. All diese Maßgaben unterstützt auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Er fordert, dass die Imame nur deutsch predigen und in Deutschland ausgebildet werden sollten.

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, im Bundestag bis 2015 Vorsitzender des Innenausschusses, befürwortet strikte Vorgaben für das muslimische Religionsleben, auch wenn er nicht alle Forderungen der CSU unterstützt. „Darüber diskutieren wir seit Jahren, doch es ändert sich nichts“, kritisiert er im Gespräch mit der StZ. „Jetzt müsste es endlich geregelt werden.“ Für zentral erachtet der Christdemokrat: „Was die Imame predigen, muss in Übereinstimmung mit unserer freiheitlichen Grundordnung stehen.“ Dazu sei es wünschenswert, wenn die Predigten in Deutsch gehalten würden. Gesetzlich vorschreiben lasse sich dies aber nicht. „Dann müssten wir auch christliche Gottesdienste in italienischer oder portugiesischer Sprache verbieten.“ Finanzspritzen aus dem Ausland sind für den CDU-Mann allein kein wesentliches Problem, vielmehr staatliche Einflussnahme durch finanzielle Abhängigkeiten. Die sieht er etwa bei der Ditib, deren knapp 1000 Imame, die in Deutschland predigen, von der türkischen Religionsbehörde bezahlt werden.

Dies verbieten zu wollen, nennt Ditib-Sprecher Zekeriya Altug einen „utopischen Wunsch, der realitätsfremd ist“. Viele Moscheegemeinden – zur Ditib gehören bundesweit 880 – seien finanziell gar nicht imstande, aus Mitgliedsbeiträgen oder Spenden einen eigenen Imam zu finanzieren. Altug räumt aber ein: „Wir brauchen Imame, die in Deutschland sozialisiert sind und hier ihren Lebensmittelpunkt haben.“ Die Ditib-Imame sind überwiegend an türkischen Hochschulen ausgebildet und Beamte des türkischen Staates. „Import-Imame predigen eine Pädagogik der Unterwerfung“, sagt der Freiburger Islamwissenschaftler Ourghi. „Sie sind ein Hindernis für die Integration, das fördert einen Islam, der die Kinder aus der westlichen Welt herausreißt.“

Ditib möchte im Land islamischen Religionsunterricht erteilen

Der aus Algerien stammende Ourghi ist gegen ein Islamgesetz nach dem Muster Österreichs. „Der Islam ist eine private Angelegenheit“, sagt er, „aber der Staat muss strikte Vorschriften für Moscheegemeinden erlassen.“ Dazu zählt die Auflage, grundsätzlich deutsch zu predigen. „Als Muslim muss man den Koran für das Ritualgebet kennen“, sagt er, „aber nicht zwingend arabische oder türkische Predigten hören.“ Religiöse Einwände gegen die Pflicht, auf Deutsch zu predigen, will er nicht gelten lassen.

Beim islamischen Religionsunterricht ist die Rolle der Muslimverbände umstritten. Die Ditib möchte solchen Unterricht auch in Baden-Württemberg erteilen und hat dies bereits seit Langem beim Kultusministerium beantragt. Über die dafür erforderliche Anerkennung als Religionsgemeinschaft ist noch nicht entschieden.

In Hessen unterrichtet Ditib an 46 Grundschulen. Gegenwärtig gebe es aber „keinen Einfluss des türkischen Staates auf den Unterricht“, urteilt das Kultusministerium in Wiesbaden. Ditib und der Verband Ahmadiyya Muslim Jamaat hätten sich als „verlässliche und konstruktive Partner“ erwiesen. In Niedersachsen berät der Ditib-Landesverband das Land bei den Lehrplänen für den Islamunterricht. Laut Kultusministerium bescheinigt ein Rechtsgutachten, dass es „keine Anhaltspunkte für einen Einfluss ausländischer Staaten auf Ditib“ gebe. Gutachten, welche die Verfassungstreue bestätigten, gibt es laut Ditib für sechs der 15 Landesverbände – nicht für die in Württemberg und Baden.