Muslimin am Beckenrand: Was tun, wenn die Mädchen größer werden? Foto: dpa

Ungewollte Berührungen sind zu vermeiden. Ansonsten ist das Land der Meinung, dass muslimische Mädchen im Schwimmunterricht den Anblick von Jungen in Badehosen ertragen müssen.

Stuttgart - In einer Sporthalle ist ein getrennter Sportunterricht zwischen Jungen und Mädchen in der Regel kein Problem. Die Hallen können meist in mehrere Teile getrennt werden. Beim Schwimmunterricht sieht das anders aus: „Die Kapazitäten der Schwimmhallen würden niemals dafür ausreichen, dass man Mädchen und Jungen zu getrennten Zeiten Schwimmunterricht gibt“, sagt Gabriele Alf-Dietz. „Zwar sind die Gruppen im Schwimmbad auch getrennt, aber natürlich schwimmen auf der einen Bahn Mädchen und auf der Nachbarbahn dann Jungen.“

Alf-Dietz ist Rektorin im Schelztor-Gymnasium in Esslingen. Sie koordiniert als Geschäftsführende Schulleiterin auch die Arbeit der anderen drei Gymnasien in Esslingen – gegenüber der Stadt und dem Land. Vor mehr als einem Jahr bekam sie den Auftrag, beim Land mal nachzufragen, ob und unter welchen Umständen die Gymnasien muslimische Mädchen auf Antrag vom Schwimmunterricht freigestellt werden müssen. Laut Alf-Dietz wird in Esslingen bislang eine solche Befreiung in der Regel erteilt. Wenn das Mädchen und deren Eltern sich auf Glaubens- und Gewissensgründe beriefen, „haben wir halt befreit“, sagt sie. „Wir sahen gar keine andere rechtliche Möglichkeit.“

Seit wenigen Tagen ist das anders. Alf-Dietz liegt endlich („Das hat sehr lang gedauert“) die Antwort des Kultusministeriums vor. Darin gibt das Land nach Jahrzehnten liberaler Praxis einen Kurswechsel bekannt: Aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom September 2013 könne solchen Anträgen auf Befreiung „im Regelfall nicht mehr stattgegeben werden“. Eine Teilnahme am Schwimmunterricht im Ganzkörperanzug (Burkini) sei diesem Urteil zufolge zumutbar.

Bislang hatte sich das Ministerium nach eigenen Angaben auf ein anderslautendes Urteil desselben Gerichts aus dem Jahr 1993 gestützt, demzufolge es für eine Befreiung ausreichte, wenn sich eine muslimische Schülerin „nachvollziehbar auf einen Glaubenskonflikt“ beruft.

Ohne einen sensiblen Blick auf die religiösen Gefühle ihrer Schüler sollen die Schulen aber auch künftig nicht agieren. Die Schulen sollten überlegen, „welche Rücksicht auf die Glaubensvorstellungen möglich und erforderlich ist“, heißt es in dem Schreiben. An die Lehrkräfte appelliert das Ministerium, zum Beispiel darauf zu achten, „dass von den Mädchen ungewollte körperliche Berührungen vermieden beziehungsweise unterbunden werden“.

Gymnasial-Rektorin Alf-Dietz ist mit der Antwort zufrieden, hat aber jetzt Arbeit vor sich: „Ich muss mit den anderen Schulleitern nun klären, wie wir künftig verfahren.“