Masha Yulin hört genau zu, was ihr Klaus Hellwig sagt und vorspielt. Foto: Ingrid Sachsenmaier

Beim 16. Sommerkurs Klavier in Fellbach wird musikalische Erwachsenenbildung in doppelter Hinsicht betrieben. Auch für Anfänger sind Möglichkeiten geboten zu üben.

Fellbach - Jetzt kommen wir zu F-Dur, forte ist nicht vorgeschrieben.“ Klaus Hellwig schaut zu Masha Yulin hinüber. Sie sitzt am vorderen Flügel im Großen Saal der Musikschule Fellbach, er an dem daneben, etwas weiter nach hinten versetzt. Am Rand der Bühne steht ein großer Strauß Sonnenblumen. Es ist Dienstagnachmittag, draußen macht der Sommer eine Pause, es ist grau und es nieselt. Im Saal ist die Stimmung gut. Knapp 20 Zuhörer lauschen gebannt, was Lehrer und Schülerin austauschen, wie Masha Yulin die Interpretation der Haydn-Sonate in C-Dur nach den Anmerkungen von Klaus Hellwig verändert.

Unterricht beim Meister

Immer wieder setzt sie an derselben Stelle ein. Sie feilt, er korrigiert. Sie schaut fragend, er ermutigend. Dann nickt sie, ihre Finger huschen wieder über die gleichen Tasten. Jetzt ist Klaus Hellwig zufrieden. „Das war schön“, lobt er. Klaus Hellwig kennt die junge, zierliche Frau mit ihrem langen, blonden Haar. Sie ist seine Schülerin. Trotzdem hat sich die Israelin für den Sommerkurs beworben – und ist angenommen worden. 350 Euro zahlt sie für fünf Unterrichtsstunden bei dem Meister, der bereits im 16. Sommer in Fellbach ist. Das ist dem Gebäude der Musikschule geschuldet. Gleich im ersten Jahr nach der Einweihung dachte sich der frühere Musikschulleiter Siegfried von Niswandt, dass es hier ideale Bedingungen für einen solchen Kurs gäbe. „Welche Stadt kann schon sechs Klaviere und sechs Flügel in einem derart tollen Gebäude bieten, wie es die Fellbacher Musikschule ist“, sagt er an die Anfänge zurückdenkend und fühlt sich erneut bestätigt. Dieses Jahr wird beim Sommerkurs in Absprache mit der Hausherrin, der Musikschule, zu einer Spendenaktion zugunsten des großen Steinway-Konzertflügels aufgerufen. Der soll generalsaniert werden. 201 Euro sind bis Dienstagabend bereits in bar zusammen gekommen.

Alle Übungsstunden sind öffentlich

Wer nicht gerade Unterricht im Großen Saal beim Maestro hat, der kann sich in ein Übungszimmer zurückziehen und zum Beispiel das vertiefen, was er zuvor gelernt hat. „Musikalische Erwachsenenbildung“ nennt Siegfried von Niswandt das, was beim Sommerkurs passiert. In doppelter Hinsicht. Für Zuhörer und Kursteilnehmer. Alle Unterrichtsstunden sind öffentlich. Wer will, kann zuhören. Jeden Tag, die ganze Woche, von 9.30 bis 12.30 Uhr und von 15 bis 18 Uhr. Es kostet keinen Eintritt, gratis sind auch die Werkstattkonzerte. Das erste fand am Dienstagabend statt, es folgen noch zwei – am 4. und 6. August, jeweils um 19 Uhr. Dann spielen die Sommerkurs-Teilnehmer das, „was sie in ihrem pianistischen Koffer mitbringen“, schmunzelt Siegfried von Niswandt. Und diese „Koffer“ sind mit anspruchsvoller Klavier-Literatur gefüllt. Denn jeder Bewerber für den Kurs muss nicht nur 18 Jahre alt sein, sondern auch ein anspruchsvolles Repertoire haben: Er muss eine live eingespielte CD mit zwei kompletten, bedeutenden Werken der Klavierliteratur einsenden. „Da ist dann Farbe und Feuer drin – und Tiefgang“, sagt von Niswandt.

Namhafte Gäste aus aller Welt zu Gast

Viele der Teilnehmer haben bereits namhafte Wettbewerbe gewonnen, teilweise haben sie ihr Studium schon abgeschlossen. Sie kommen aus der ganzen Welt, und sie spielen in der ganzen Welt. Motive, um den Sommerkurs zu besuchen, gebe es viele, so von Niswandt. „Der eine hat bei einem Wettbewerb nicht gewonnen und will an sich und seiner Leistung arbeiten. Ein anderer will sein Spiel generell verbessern, an seiner Körperhaltung feilen, Ratschläge von einem anderen Lehrer hören, die Erfahrung von Klaus Hellwig genießen.“ Dessen Vita liest sich in Auszügen so: „Klaus Hellwig studierte bei Detlef Kraus in Essen und Pierre Sancan in Paris, Meisterkurse bei Wilhelm Kempff und Guido Agosti prägten ihn. Seit seinen Erfolgen bei internationalen Wettbewerben konzertiert er in nahezu allen europäischen Ländern. Seit 1973 spielt Hellwig regelmäßig Konzerte in den USA, im Nahen Osten, in Brasilien und Australien. Japan und andere ostasiatische Länder besucht der Musiker bereits seit 1967.“ Vor Fellbach war Hellwig vom 21. bis 29. Juli beim Verbier-Festival in der Schweiz.