Starkoch als Musiker: Vincent Klink mit Basstrompete Foto: Holger Schneider

Beim Musikfest Stuttgart hat Evgeni Koroliov Bach, Kurtág und Ligeti gespielt, und der Spitzenkoch Vincent Klink war der Star bei einer Jazz-Session mit Patrick Bebelaar

Stuttgart - Genug der Worte! Falls es zutrifft, dass auch ein Festival aus Erfahrung klug werden kann, dann sollten die Macher des Musikfests sich ernsthaft überlegen, ob sie Festreden und Moderationen zukünftig nicht weglassen und die Musik für sich wirken lassen sollten. In diesem Jahr hat die Bachakademie jedenfalls nicht unbedingt Glück mit Worten zur Musik: Nach Günther Oettingers Festrede vor dem Eröffnungskonzert hat am späten Montagabend auch Vincent Klink seinem Auftritt mit Carlo Rizzo (Tamburin), Frank Kroll (Saxofon) und Patrick Bebelaar (Klavier) durch allzu große Mengen eines allzu bemühten Moderationstextes die Leichtigkeit genommen.

Dabei war der Anfang noch recht launig. Bebelaar, behauptete da beispielsweise der Promi-Koch und ambitionierte Hobby-Trompeter, habe ihm „gezeigt, was der Unterschied zwischen Arthritis und Artistik ist“. Als er anschließend aber schlicht über die mittelalterliche Musikgeschichte referierte, schwanden das Persönliche und Besondere, und Trägheit legte sich über den Abend.

Dabei hätte man die Musik ruhig für sich alleine sprechen lassen können, denn den Musikern war zu den mittelalterlichen Vorlagen, die sie inspiriert hatten, einiges Schöne und Interessante eingefallen. Waghalsige Experimente waren zwar nicht darunter, und allzu viel Unerwartetes geschah über wiederholten Harmoniefolgen oder im Spiel mit melodischen Floskeln nicht. Das mag auch mit der Notwendigkeit zu tun gehabt haben, den musizierenden Koch gut zu integrieren. Dennoch wirkte der vom Stauferkaiser Friedrich II. entlehnte Titel des Konzerts, „Stupor mundi“ („Das Staunen der Welt“), vor diesem Hintergrund doch ein wenig anmaßend. Bei exzellenten individuellen Leistungen (etwa des Pianisten Bebelaar auf einem verstärkten Clavichord oder des singenden Perkussionisten Rizzo mit einem nur selten gehörten Spektrum an Klangfarben auf dem Tamburin) blieb einem dennoch zuweilen mitten im Parkett des für Jazz eigentlich gänzlich ungeeigneten Großen Kursaals Bad Cannstatt vor Bewunderung der Mund offen stehen.

Das konnte den Zuhörern auch passieren, als dort drei Stunden zuvor der russische (und an der Hamburger Musikhochschule lehrende) Pianist Evgeni Koroliov, früher ein Dauergast der Bachakademie, Stücke von Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach, György Kurtág und György Ligeti vortrug. Zwar mochte man sich zunächst an der Langsamkeit reiben, mit der Koroliov den ersten Kontrapunkt aus Bachs „Kunst der Fuge“ servierte, und insgesamt kam die barocke Polyfonie ausgesprochen pedallastig, also schwer daher.

Mit der Zeit aber begriff man den Reiz eines Zugriffs, der Bachs strukturelle Vorgaben und Konsequenzen in Extreme trieb. Zuweilen kamen die Hände des Pianisten mit dessen Konzept nicht ganz mit, verstolperten sich und verloren einander ein wenig, aber das gab sich wieder, und spätestens bei Kurtágs liebevollen Klavierduo-Bearbeitungen Bach’scher Werke, bei denen sich Ljupka Hadzigeorgieva an Koroliovs rechte Seite setzte, wurde die Hingabe spürbar, mit welcher der Pianist seinen Weg zum barocken Meister immer wieder neu sucht und auf den Prüfstein stellt.

Vielleicht litt der erste Programmteil ein wenig unter einer gewissen Kleinteiligkeit. Das wurde nach der Pause aber besser. Schlüssig erschien da der große Bogen, den Evgeni Koroliov da über Carl Philipp Emanuel Bachs erste Sonate (a-Moll) legte. Vier Etüden Ligetis wirkten auf fast nachimpressionistische Weise farb- und bildkräftig, und nach der von Koroliov abgebrochenen, weil von Bach unvollendeten „Fuga a 3 Soggetti“ aus der „Kunst der Fuge“ war keine Zugabe mehr möglich. Hätte es in diesem Konzert einen Moderator gegeben, so hätte es diesem hier glatt die Sprache verschlagen.