Rossini mit Abstand: So musizierte die Gaechinger Cantorey am Samstagabend im Beethovensaal. Foto: Holger Schneider

Internationale Bachakademie zwischen Kirche und großem Kino: Zum Abschluss des Musikfests in Stuttgart gab es die „Petite Messe Solennelle“.

Stuttgart - Es sind die schönsten, anrührendsten und sprechendsten Momente des Samstagabends, mit dem das coronabedingt kleingeschrumpfte Stuttgarter Musikfest im Beethovensaal zu Ende ging. Die Altistin Julia Böhme singt mit Kunst und Hingabe – ja, was? Eine Arie mit liturgischem Text: Die federnde Sechzehntel-Begleitung treibt in typischer Rossini-Manier die Gesangsstimme im Agnus Dei der „Kleinen feierlichen Messe“, der „Petite Messe Solennelle“, in einer Weise vor sich her, dass keiner beim Zuhören ernsthaft an Kirchliches, gar an ein persönliches Glaubensbekenntnis denken mag. Nein, das Agnus Dei ist Oper, durch und durch – so lange, bis der motorische Begleitrhythmus aus- und der Chor einsetzt. Dann ist Schluss mit lustig, Schluss mit leicht, Schluss mit aller weltlichen Anmutung. „Dona nobis pacem“, „gib uns Frieden“, singt der Chor, jetzt unbegleitet; „sottovoce“, also mit leiser Stimme, heißt die Anweisung in der Partitur, und Hans-Christoph Rademann lässt die Gaechinger Cantorey so fahl, so pianissimo und so verinnerlicht singen, dass einem der Kontrast zur weltlichen Extrovertiertheit der Alt-Phrase zuvor Schauer über den Rücken jagt.