Mit großer Begeisterung widmen sich Walter Hasart, Bianka Kronbach-Maisch, Matthias Mangold, Bettina Röcker und Melina Zaiser (von links) der Vorbereitung des Choral-Marathons der Blechbläser in der Köngener Peter- und Paulskirche Foto: /Gaby Weiß

Hoffentlich geht niemand die Puste aus: In Köngen spielen an diesem Freitag Posaunisten alle 683 Choräle des evangelischen Gesangbuchs – und zwar nonstop. Elf Stunden wird der musikalische Marathon vermutlich dauern.

„Unser Posaunenchor spielt so oft Choräle, in Gottesdiensten, bei Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen, bei Einweihungen, im Krankenhaus oder bei Gemeindefesten. Und trotzdem haben wir noch längst nicht alle 683 Choräle im evangelischen Gesangbuch durchgespielt“, sagt Walter Hasart, der Leiter des Posaunenchors Köngen. Warum also nicht einmal sämtliche 683 vierstimmig gesetzten Choräle in Marathon-Manier en suite und ohne Unterbrechung spielen? Ein Anlass für diese verrückte Idee war schnell gefunden: Vor 500 Jahren wurden die ersten evangelischen Gesangbücher gedruckt. Gemeinsam mit seinen befreundeten Dirigentenkollegen der Posaunenchöre in Nürtingen und Hohengehren, Matthias Mangold und Friedrich Veil, entwickelte Hasart ein Konzept für ein ungewöhnliches Konzert: Am Freitag, 6. September, werden der Posaunenchor Köngen, das Ensemble „Blech & Mehr“ und jede Menge begeisterte Blechbläserinnen und Blechbläser in der Köngener Pfarrkirche Peter und Paul die 683 Choräle des Gesangbuchs ohne Pause hintereinander weg mit Trompete, Posaune, Tenorhorn, Waldhorn und Tuba interpretieren.

Befreundete Musiker unterstützen den Posaunenchor Köngen

„An einem Abend das ganze Buch? Das klang im ersten Moment ziemlich überwältigend. Aber je länger wir darüber nachgedacht haben, umso mehr wurde uns klar: Gemeinsam können wir das schaffen“, sagt Melina Zaiser, die in Köngen Tenorhorn spielt. Unterstützung erhalten die rund 50 Bläserinnen und Bläser des Posaunenchors Köngen durch das Blechbläser-Ensemble „Blech & Mehr“ aus dem Landkreis Esslingen und durch befreundete Instrumentalisten. Dass die Musikerinnen und Musiker dabei in wechselnden Konstellationen zusammenspielen, sei kein Problem, ist die Posaunistin Bettina Röcker überzeugt: „Die drei Dirigenten müssen das im Griff haben. Jeder Musiker hat die Noten vor sich. Und jeder hört auf seinen Nebenmann. Das funktioniert.“

Wie lange das Mammut-Konzert dauern wird, können sie nur schätzen: „Es gibt 35-Sekunden-Stücke, andere Choräle dauern eineinhalb Minuten. Wir haben das Pi mal Daumen durchgerechnet und sind auf zehn oder elf Stunden reine Spielzeit gekommen“, erzählt Walter Hasart. Die Länge des Choral-Marathons hängt natürlich auch davon ab, welches Tempo die Dirigenten vorgeben: „Wir alle drei tendieren zu einem bewegten, lebendigen Spiel. Aber wenn wir bis drei Uhr in der Früh spielen, werden wir sicherlich auch jede Menge Kaffee kochen müssen“, sagt er schmunzelnd. „Wir sind dann alle so euphorisiert und voller Adrenalin, da hält man durch. Ich denke, die Müdigkeit kommt erst am nächsten Tag“, vermutet Bettina Röcker.

Notfalls spielen die Dirigenten selbst

Walter Hasart, Matthias Mangold und Friedrich Veil werden sich am Dirigentenpult abwechseln, die Bläserinnen und Bläser entscheiden je nach Uhrzeit, Lust und Durchhaltevermögen, wann sie Pause machen. So kann es durchaus sein, dass mal 50 Leute spielen, mal nur 20 oder nur zehn, bevor dann ausgeruhte Musiker wieder übernehmen. Sollten während einer Phase irgendwann nur noch Sopran-Instrumente im Einsatz sein, wird eben einstimmig gespielt. „Oder ein Sopran übernimmt den Alt-Part, da sind wir flexibel“, sagt die Trompeterin Bianka Kronbach-Maisch. „Und falls tatsächlich kein Instrumentalist bis zum Ende durchhält, wovon ich aber nicht ausgehe, dann spielen eben zwei Dirigenten Posaune, und der dritte dirigiert“, verrät Matthias Mangold.

Ist es – auch für einen erfahrenen Blechbläser – nicht sehr anstrengend, mehrere Stunden am Stück zu spielen? „Das ist individuell unterschiedlich. Choral-Literatur ist meistens nicht allzu schwierig gesetzt, und man kann tatsächlich zwei oder drei Stunden spielen. Wobei der höhere Sopran anstrengender zu spielen ist als Alt, und Tenor ist anstrengender als Bass“, erklärt Matthias Mangold. Irgendwann fehle aber auch dem trainiertesten Bläser die Kraft in den Lippen, um Töne zu erzeugen. „Dann muss man Pause machen“, ergänzt Mangold. Die Musiker können sich im Gemeindesaal nebenan ausruhen, etwas essen und vor allem viel trinken: „Bläser verlieren beim Musizieren viel Spucke, die muss unbedingt ersetzt werden“, betont Walter Hasart die körperliche Leistung beim ausdauernden Musizieren.

Die Pfarrerin ist begeistert – und spielt selbst mit

Das ungewöhnliche Konzert ist für alle Beteiligten eine Herausforderung: Die Musiker müssen auch ihnen unbekannte Choräle vom Blatt spielen, selbst die Dirigenten kennen nicht jedes Lied: „Spannung, Überraschung, Improvisation – das macht den Reiz dieser Veranstaltung aus. Aber vielleicht läuft man gerade dann zu Hochform auf?“, meint Matthias Mangold. Walter Hasart möchte mit der Aktion auch zeigen, „wie wir Kirche mit so einer frischen Idee gestalten und beleben können“. Bei der evangelischen Kirchengemeinde Köngen stieß er mit seinem Vorschlag eines Choral-Marathons zu Ehren des Gesangbuch-Geburtstags auf offene Ohren: „Unsere Pfarrerin Birgit Scholz ist Mit-Bläserin im Posaunenchor und für so eine spontane Geschichte immer zu haben.“

Herausforderndes Mammutkonzert

Reihenfolge
Gespielt wird beim Köngener Bläser-Marathon nach dem Posaunen-Choralbuch zum evangelischen Gesangbuch Württemberg. Beginnend mit dem allerersten Choral „Macht hoch die Tür“ führt die musikalische Reise durch das Kirchenjahr, über Choräle im Gottesdienst und biblische Gesänge bis zum Kapitel „Glaube, Liebe, Hoffnung“, das mit Liedern zum Thema „Sterben und ewiges Leben“ endet.

In einer Tour
„Wir werden während der Aktion keine langen Erklärungen oder Moderationen einschieben, sonst spielen wir am Samstagmorgen um sieben Uhr noch. Für uns Dirigenten heißt es, die Gruppe, wie sie da sitzt, ob 50 Leute oder nur drei, in jedem Augenblick zu motivieren und zum gemeinsamen Musizieren beieinander zu halten“, erklärt Matthias Mangold, der Dirigent des Köngener Posaunenchors.

Konzert für alle
„Es macht den Posaunenchor aus, dass von jung bis alt generationenübergreifend alle mit dabei sein können. Auch beim Konzert sind alle willkommen – zum Spielen und zum Zuhören“, betont Trompeterin Bianka Kronbach-Maisch. Ab 16 Uhr stehen am Freitag, 6. September, die Türen der Köngener Peter- und Paulskirche, Kiesweg 57, in Köngen offen. Der Eintritt zu der Veranstaltung ist frei.