Die Fanta-Rapper Michi Beck, ThomasD und Smudo bei einem Auftritt in der Stuttgarter Schleyerhalle Foto: Kickfilm

Bald läuft in den Kinos „Wer 4 sind“ an, ein Dokumentarfilm über die Fantastischen Vier. Er zeichnet die 30-jährige Geschichte der Band mit Stuttgarter Wurzeln nach.

Stuttgart - Vor fast schon zwanzig Jahren begann der Regisseur Dieter Zimmermann mit den Dreharbeiten für seinen Dokumentarfilm „Was geht“ über die Fantastischen Vier. Anfang des Jahrtausends erschien er dann, der künstlerische wie auch kommerzielle Erfolg war überschaubar, heutzutage wird er bei einem großen Onlineanbieter als Neu-DVD für 3,89 Euro verramscht. Man sollte sich also in Erinnerung rufen, dass eine Dokumentation über Stuttgarts bekannteste Band weder eine Novität noch ein Selbstläufer ist. Dennoch sind natürlich seitdem bald zwei Dekaden vergangen.

Die Fantas haben ihr Oeuvre seitdem beträchtlich erweitert, sind älter geworden und haben mittlerweile alles erreicht, was man als Band erreichen kann: von unzähligen Auszeichnungen über exzellente Tonträger und die Gründung eines erfolgreichen Plattenlabels, vom MTV-Unplugged-Konzert über den Auftritt vor sechzigtausend Menschen auf dem Wasen bis zum letzten noch fehlenden Mosaiksteinchen, der im kommenden Sommer anstehenden Stadiontournee.

Eine Klippe wird umschifft

Dazu kommt aber auch, dass die nunmehr dreißigjährige Karriere dieser längst zu Familienvätern gereiften, jederzeit angenehmen und untereinander sehr freundschaftlich verbundenen Herren frei von Pleiten, Pech und Pannen sowie jedwedem Skandal verlaufen ist. Was wiederum nicht die ideale Ausgangsvoraussetzungen für einen Dokumentarfilm sind, der an und für sich, um interessant zu geraten, ja auch von Rückschlägen, Zwist oder zumindest Reibereien, von Zwiespälten oder Schaffenskrisen berichten müsste. Aber wo nichts ist, kann auch nichts gezeigt werden. Und so droht dann eher die gefährliche Klippe, an der man in einen lediglich deskriptiven, affirmativen oder schlimmstenfalls aus der bewundernden Fanperspektive gedrehten Film abstürzen könnte.

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Diese Klippe umschifft Thomas Schwendemann, der Regisseur des aktuellen Band-Dokumentarfilms „Wer 4 sind“, zwar gerade so eben. Dennoch muss sich der Münchner Filmemacher nach sehr langen 106 Minuten Laufzeit die Frage gefallen lassen, für welche Zielgruppe er diesen Film gedreht hat. Hartleibige Anhänger der deutschen Sprechgesangspioniere werden sicherlich bestens unterhalten sein, allein der Neuigkeitswert dürfte sich für sie in Grenzen halten. Kritisch der Band gegenüberstehende Geister, so es sie überhaupt geben sollte, werden ihn bestimmt nicht sehen wollen sowie, falls doch, sich dann in allen ihren Vorbehalten (mangelnde Ernsthaftigkeit, fehlende Anspruchshöhe, kommerzieller Ausverkauf und welche Nadeln man noch im Heuhaufen finden möge) bestätigt sehen. Und den Fantastischen Vier quasi „neutral“ gegenüber stehende Menschen werden den Film zwar mit einem beträchtlichen, allerdings auch sehr speziellen Erkenntnisgewinn sehen.

Ideen werden zugeliefert

Sehr ausführlich werden in dem Film nämlich die Produktionsbedingungen thematisiert, unter denen die Songs der Fantastischen Vier entstehen. Das Verfassen der Texte und alle damit einhergehenden Schwierigkeiten werden von den Bandmitgliedern und anderen Mitwirkenden umfassend erörtert, gleiches gilt für die Entstehung und Einspielung der Musik. Smudo, Thomas D, Michi Beck und Andy Ypsilon kommen dabei ausführlich zu Wort, ihre Produktionspartner wie Samy Deluxe oder Clueso werden ebenfalls breit ins Bild gesetzt. So wird höchst interessant, aber fast schon beiläufig auch thematisiert, dass die Fantastischen Vier sich mittlerweile nicht nur Ideen für Sounds, sondern auch für Texte zuliefern lassen. Ist’s nur Bequemlichkeit oder ist schon alles gesagt, fehlen die eigenen Inspirationen oder machen die Fantas nicht einfach nur, was in der Popstarbranche eh längst Usus ist, nämlich sich jedes Lied von Textern und Songschreibern auf den Leib schneidern zu lassen?

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Hier wird diese Doku richtig interessant – zumindest für Betrachter, die nicht nur am Ergebnis, sondern auch an dem Weg dahin interessiert sind – , und es ist auch nicht so, dass die Fantas dieses Thema en passant abhandeln und ansonsten am liebsten einen gnädigen Mantel des Schweigens darüber betten würden. Doch Schwendemanns Film versäumt es, wenigstens bei diesem zumindest (und zumal für deutsche Rapper) bedenklich stimmenden Musikschöpfungsschritt intensiv nachzufragen und weiterzubohren.

Frei von Flugscham

Und so verstärkt sich bei dem Film „Wer 4 sind“ in diesen Momenten leider der auch ansonsten häufige Eindruck, dass man sich eher in einem Promi-Special aus der deutschen Privatfernsehlandschaft denn in einer kritischen Bestandsaufnahme wiedergefunden hat.

Dass sie selbst längst Prominente sind, verhehlen die Fantas im Film nicht, ganz im Gegenteil. Dass sich die gereiften Herren beim Songschreiben mittlerweile als erstes ihre Brillen aufsetzen müssen, allerdings ebenso wenig. Und so lebt diese Dokumentation am ehesten von der ausgiebigen Zeichnung vierer sehr unterschiedlicher Charaktere, von denen der eine frei von Flugscham seinen Privatflieger und sein Rennsporthobby pflegt, während der andere für Veganismus, Flüchtlinge und Klimaschutz streitet. Sie kulminiert in der von allen in diesem Film vorgebrachten Erkenntnis, dass die Fantastischen Vier deshalb als Freunde so gut miteinander leben können, weil sie sich als Bandmitglieder eben nicht ständig über den Weg laufen. Viele Jahre verheiratete Ehepaare werden wissen, was gemeint ist, doch sie allein reichen vermutlich nicht als Zielgruppe für einen Film, der zweifelsohne sehr sympathisch ist, aber bei einigen Längen einige Möglichkeiten verschenkt.

Wer 4 sind. Deutschland 2019. Regie: Thomas Schwendemann. Dokumentarfilm, 106 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.

Der Film läuft am Sonntag, 15. September in mehreren Kinos an. Im Traumpalast Leonberg und im Stuttgarter Gloria (ausverkauft) werden die Fantastischen Vier an diesem Tag anwesend sein.