Die Senioren geraten richtig ins Schwärmen, wenn Musiker zum Café kommen. Foto: Jacobs

Mit Musik geht alles besser. Deswegen veranstalten Pflegeheime Konzerte – auch das Hans-Rehn-Stift.

Rohr - Und nun ein paar Anregungen für die Herren im Publikum“, kündigt Sänger Marc Delpy an der Gitarre das nächste Lied an. Es ist Montagnachmittag, kurz nach 15 Uhr, wie alle zwei Wochen Zeit für das Café in Takt im Hans-Rehn-Stift. Die Musikveranstaltung ist eine feste Größe im Veranstaltungskalender des Pflegeheims, mehr als 25 Zuhörer warten bereits zu Beginn, im Laufe des Konzerts werden es noch mehr. Denn die Musiker, die dort gastieren, sind alte Bekannte für das Publikum.

Seit mehr als fünf Jahren kommt das Duo Marc Delpy und Franco Ferrero zweimal im Jahr in die Begegnungsstätte des Pflegeheims. Delpy, 52 Jahre alt, ist Franzose aus Toulouse, lebt aber bereits seit langem in Nürtingen. Franco Ferrero, 45 Jahre, heißt mit bürgerlichem Namen Frank Eisele und ist Schwabe. Beide leben von ihrer Musik, haben dafür vor Jahren ihre Berufe an den Nagel gehängt. Delpy war Exportkaufmann, Eisele hatte im sozialen Bereich gearbeitet.

Ihr Schwerpunktprogramm sind die Kulturbühnen im süddeutschen Raum. Im Hans-Rehn-Stift haben sie zum ersten Mal in einem Pflegeheim gespielt, ein eigenes Programm dafür zusammengestellt: mehr Schlager, ältere Chansons. „Aber wir spielen nichts, was uns nicht gefällt“, sagt Delpy. In der Zwischenzeit spielen sie in 30 Heimen in der Region. Eine Gitarre, ein Akkordeon, ein Mikrofon und zwei Lautsprecherboxen, mehr brauchen sie nicht.

Musik regt die Senioren zum Singen an

Ein kurzes Nicken, dann klingt das Lied „Lass mich dein Badewasser schlürfen“ durch die Cafeteria im Foyer des Seniorenpflegeheims. „Für einen Kuss auf deine Sohle möchte ich dein Pantoffel sein“, singt Delpy. Einige Herren, an den Cafeteria-Tischen vor Zwiebelkuchen und einem Glas Wein sitzend, schauen abwartend. Einer summt leise mit. „Ach bitte, lass mich auf deinem Sofa aalen, lass mich doch deine Steuern zahlen“, tönen die Liedzeilen durch das Foyer.

Ein Mann am Fenster hat die Hände vor der Brust verschränkt, sitzt mit dem Rücken zum Duo. Aber die Finger seiner rechten Hand trommeln im Takt zur Musik auf seinem linken Ellenbogen.

Einige Seniorinnen, die zuerst zaghaft im Takt gewippt haben, singen nun mit. Eine Seniorin, die zunächst in einer Sanitätshausbroschüre geblättert hatte, hat die Informationen über das Fußleiden Hallux Valgus längst beiseite gelegt. Eine andere, Martha Krämer, ergreift später, als die beiden Musiker in der Pause die Zuhörer an den Tischen begrüßen, die Gelegenheit beim Schopfe und singt selbst. „In der Nacht ist der Mensch nicht gerne alleine“, summt sie und nimmt die beiden Musiker fest in den Blick, „denn sonst bekommt er kalte Beine.“ Ihre Augen strahlen, ihre Frisur sieht aus wie frisch gelegt. Ihr Alter? Verrät sie nicht und singt stattdessen noch mal den Refrain von den kalten Beinen.

Für die „netten, jungen Herren“ wird hin und wieder geschwärmt

Delpy, in weißer Leinenhose und weißem Leinenhemd, das schwarze Jackett hat er vor dem Konzert abgelegt, lacht freundlich. Er und Franco Ferrero sind im Schnitt 30 Jahre jünger als die Zuhörer im Café in Takt. Die Musiker wissen, dass sie an diesem Nachmittag die Hähne im Korb sind. So manche Seniorin kommt nicht allein wegen der melodisch-leichten Chansons.

Die Schlager, die Delpy und Eisele interpretieren, sind mitunter frivol, das Duo ist es nicht. Delpy singt zwar mit Schmelz, aber ohne Schmalz. Wenn sich die beiden Musiker in der Pause zum Kuchenessen zu ihrem Publikum an die Tische setzen, wird zurückhaltend geplaudert. Statt die Gäste zu unterhalten, hören die beiden zu, fragen nur zu Beginn etwas, um das Gespräch in Gang zu bringen.

Manche Seniorin schwärme richtig für die beiden „netten, jungen Herren“ des Duos, sagt Kerstin Kretzschmar, die im Hans-Rehn-Verbund auch für das Kulturprogramm zuständig ist. Chanson geht immer, hat sie in mehr als zehn Jahren festgestellt, Klavier und Schlager auch. Jazz hat Kretzschmar über ein paar Jahre ausprobiert, dann aber gelassen. „Es ist den Leuten wohl zu unruhig oder zu wenig melodiös“, mutmaßt sie. Grundsätzlich gilt: Musik ist wichtig. Mancher Zuhörer in der Cafeteria kann sich an so manches nicht mehr recht erinnern, aber die Melodien von Edith Piaf und Rudi Schuricke kennen sie alle noch.

„Merci beaucoup für diesen fulminanten Nachmittag“

Edith Holzwarth ist nur zu Besuch in der Begegnungsstätte. Sie wohnt in Vaihingen, kommt aber oft zum Café in Takt. Ihre Mutter war für einige Jahre im Hans-Rehn-Stift gepflegt worden. Die 72-Jährige liebt Chansons und versucht immer zu den Auftritten des Duos Delpy/Ferrero zu kommen. Die Reste ihres Schulfranzösischs habe sie einmal zusammengekratzt und den beiden Musikern „merci beaucoup für diesen fulminanten Nachmittag“ gesagt – „ein Nachmittag avec grand plaisir, voller Freude“, sagt Holzwarth. Sie lacht und sieht dabei richtig jung und mädchenhaft aus.

„Wir sind sehr froh, dass wir so ein tolles musikalisches Angebot hier haben“, sagt Harald Kipke. Der 77-Jährige lebt im betreuten Wohnen und sitzt mit seinen Bekannten zusammen, im Rücken der Musiker, damit man sich noch unterhalten kann. „Für manche Besucher sind die Konzerte ein Grund, überhaupt, aus der Wohnung zu gehen“, sagt Kipke.