Wenn der Vater mit dem Sohne: Zwei Tenöre aus dem Hause Prégardien: rechts Papa Christoph, links Filius Julian Foto: Holger Schneider

Alt trifft jung: Maestro Sir Neville Marriner, 90 Jahre alt, brachte die Junge Deutsche Philharmonie mit zum Musikfest nach Stuttgart. Und die Väter Christoph Prégardien und Alfred Brendel reisten mit ihren Söhnen an.

Extra-Jubel bekam Sir Neville Marriner im Stuttgarter Theaterhaus gleich mehrmals. Der 90-jährige Maestro, unter anderem Gründer der Academy of St Martin of the Fields, war im Laufe seiner langen Karriere schließlich von 1983 bis 1989 auch Chefdirigent des Stuttgarter Radio-Sinfonieorchesters gewesen. Der rüstige Brite ist derzeit auf Tournee mit der Jungen Deutschen Philharmonie (JDP) und mit ihr Gast beim Musikfest. Charmant ist er, wirft der Konzertmeisterin Stephanie Appelhans nach Bohuslav Martinus 2. Sinfonia concertante eine Kusshand zu. Vor Beginn des Stücks dreht er dem Publikum augenzwinkernd den leeren Notenständer des Solocellisten Nico Treutler zu, damit es versteht, wieso der junge Mann so nervös von der Bühne eilt.

Die JDP ist ein Jugendorchester aus Musikstudenten. 18 bis 28 Jahre alt sind die Mitglieder, die sich in der JDP wichtige Impulse für eine Profilaufbahn im Orchester versprechen. Das Reise-Programm ist auf Haydns final gespielte 103. Sinfonie „mit dem Paukenwirbel“ hin konzipiert. Sie wird von den jungen Leuten fetzig, luftig, leicht phrasiert. Davor gab’s drei Stücke des 20. Jahrhunderts, die Haydn ihre Referenz erweisen. Die JDP meistert den Abend mit jenem konzentrierten Engagement und jener aufgeweckten Spielfreude, die man von Jugendorchestern gewöhnt ist. Und das transparente, kammermusikalische Klangbild zeigt, wie erstklassig die Ausbildung an deutschen Musikhochschulen heute ist.

Eröffnet wird mit Prokofiews „Symphonie classique“. Die theatrale Energie des Kopfsatzes entfaltet sich trefflich, witzig spielen sich die Instrumente die musikalischen Gedanken wie Pingpong-Bälle zu. Dass die so leicht und spielerisch wirkende Sinfonie doch ihre Tücken hat, zeigt die JDP auf hohem Niveau. Und auch in anderen Werken des Abends könnte – was das präzise Zusammenspiel und die Intonation angeht – noch ein bisschen nachgearbeitet werden.

Höhepunkt des Konzerts ist zweifellos Alfred Schnittkes witziges Collagestück „Moz-Art à la Haydn“: Beginn auf dunkler Bühne mit dissonant Improvisatorischem, bis sich für kurze Zeit klassische Klänge formieren. Licht an, und melodische Mozart-Fragmente blinken immer wieder auf, brechen sich aber sofort in schräger Polyphonie, bis Geigen und Bratschen brüchig streichend nach und nach die Bühne verlassen, während Cello und Kontrabass ein letztes Glissandojaulen von sich geben: als melancholischen Gruß an Haydn und seine Abschiedssinfonie. (gk)

Familiäres Miteinander

So, stellt man sich vor, muss es früher gewesen sein. In den Abendstunden, bei flackerndem Feuer, mögen Familien zusammengesessen haben, und dann mögen Großeltern, Eltern und Kinder das Lied vom Lindenbaum gesungen haben oder schlichte Quartettsätze bekannter Komponisten. Diese Vorstellung hat etwas Biedermeierlich-Spitzweg’sches, sie ist auch ein wenig kitschig, und als der Tenor Christoph Prégardien mit seinem ebenfalls Tenor singenden Sohn Julian am späten Donnerstagabend im Mozartsaal die Reihe „Väter und Söhne“ eröffnete, entstand ein ähnliches Bild.

Volksmusik und volksmusikalisch verwurzelte romantische Musik stand im Mittelpunkt, und weil die beiden Sänger eigene, mit den Wohlfühl-Intervallen Terz und Sexte reichlich gesättigte Duo-Fassungen aus Sololiedern und Quartetten von Schubert, Brahms und Silcher gefertigt hatten, die auch dem mittlerweile in der Höhe reduzierten Stimm-Umfang des Vaters Tribut zollten, regierte an diesem Abend allgemeines Wohlgefühl.

Für Manchen mag das auf Dauer des Guten zu viel gewesen sein, und tatsächlich kann man etliche weniger vermittelte originale Solofassungen interessanter finden als die hier gebotene Harmonieseligkeit. Dass der Abend dennoch eine eindringliche Wirkung zeitigte, hatte mit Michael Gees zu tun, der die Texte am Klavier auf feinste Weise mit Leben füllte. Außerdem hatte es mit präziser Textgestaltung der Sänger zu tun und mit der innigen Art des familiären Miteinanders. Dieses reichte bis hin zu Schuberts „Erlkönig“, der, wenn das Lied wie hier dialogisch auf zwei Stimmen verteilt ist, die persönlichen Dimensionen eines Kindstods auf bedrückende Weise spürbar macht.

Weniger von Gleichklang als von Gegensätzen kündete der zweite Abend der Reihe, an dem sich Alfred und Adrian Brendel vorstellten. Da der Vater nicht mehr öffentlich Klavier spielt, konnte es zum Duo mit dem Cello spielenden Sohn nicht kommen. Außerdem zeugen die Texte, die der 83-Jährige aus eigenen Büchern verlas, bereits von einem gewissen Abstand von der Welt – und reiben sich mit ihrem oft witzigen Sarkasmus auffällig an der Hingabe und Präzision, mit welcher Sohn Brendel die erste und die dritte Solo-Suite Bachs und kurze Sätze György Kurtágs vortrug. Bei den Auf- und Abtritten führte indes der Vater Regie; sogar bei der Zugabe seines Sohnes lugte er in den Saal. Das Publikum, vom nunmehr schreibenden Ex-Starpianisten launig zur „tausendohrigen Gottheit“ erklärt, dankte dem Alten lange und laut, dass er seinen Sprössling mal wieder mitgebracht hatte. (ben)