Die jungen Darstellerinnen dürfen jeweils 30 Mal im Jahr auftreten. Foto: Lg/Max Kovalenko

Wie junge Darstellerinnen Tina Turner und ihre Schwester Alline im Alter von 9 und 11 Jahren verkörpern, das war nun bei der Kinderprobe des Musicals über die „Queen of Rock“ zu erleben – zwischen Realität und Spiel wird dabei klar getrennt.

„Proud Mary!“ Tina Turners Songikone gehört eindeutig zu den Favoriten der Mädchen, die da im Übungsraum des Apollo-Theaters Eltern, Geschwister und andere mit Gesang und Tanz in ihren Bann ziehen. Im Duo und Chor, den Turner-typischen, dynamisch trippelnden Tanzschritten und Sprechszenen, aber auch Soli von Liedern wie „A Million Dreams“ aus dem Musical „The Greatest Showman“ oder „Tomorrow“ aus „Annie“.

Anna-Mae Bullocks Leben hatte viele Höhen und Tiefen

Emilie, Makena, Jeanelle, Senet, Evelyn, Somto, Ruhama und Abigail präsentieren bei einer offenen Kinderprobe ihr Talent – und was sie sich erarbeitet haben Woche für Woche bei den Trainings: Die Kinder spielen im Musical über das Leben der Ausnahmekünstlerin Tina Turner. Sie verkörpern Anna-Mae Bullock – unter diesem Namen wurde Turner in Brownsville, Tennessee, geboren – und ihre zwei Jahre ältere Schwester Alline im Alter von 9 und 11 Jahren. Das ist nicht nur gesanglich herausfordernd. Das Leben von Tina, die nun in der Schweiz lebt, hatte Höhen, aber auch viele Tiefen. Nicht nur ihre erste Ehe mit Musikergenie Ike Turner, der sie zum ersten weiblichen Mitglied seiner Band und zum Star der legendären „Ike and Tina Turner Revue“ machte, war von Gewalt geprägt. Auch zwischen ihren Eltern, Zelma Currie und Floyd Richard Bullock, ging es handgreiflich zu. Die Mutter verließ mit der älteren Tochter den Baumwollplantagenvorarbeiter und Baptistendiakon – die elfjährige Anna-Mae blieb beim Vater zurück. Der gab sie wegen einer neuen Heirat in die Obhut der Großmutter. Erst mit 16 Jahren zog Anna-Mae zu Mutter und Schwester nach St. Louis, wo sie auf Ike und seine Band Kings of Rhythm traf.

Im Probenraum tauchen die Kinder abwechselnd mitfühlend in Familienszenen ein, erleben, wie der Vater die Mutter schlägt. Die echauffiert sich, dass Anna-Mae im Chor der baptistischen Kirche von Nutbush so leidenschaftlich laut singt, als ob „der Heilige Geist persönlich“ in sie fahre. „Es ist sehr wichtig, dass die Mädchen Realität und Spiel unterscheiden können“, sagt Sängerin Maryanne Kelley, die mit Tänzer und Choreograf Andrew Hunt die Kinder managt. So übe man mit den Jungdarstellerinnen Ohrfeigen, erspüre Emotionen für das Spiel. „Wir suchen nach dem Potenzial, zu wachsen, aus sich herausgehen zu können, etwa bei Bewegungsspielen“, beschreibt die US-Amerikanerin. Essenziell sei auch Flexibilität. „Deswegen singen wir auch andere Lieder; nicht jede Anna-Mae oder Alline hat die gleiche Choreografie.“

Lampenfieber? Ach was!

Bewegung und Atemübungen nutzt zudem Sänger David Whitley, Vocal Coach für die junge Tina-Besetzung. „Es geht um Authentizität, darum, die jeweiligen Fähigkeiten zum Blühen zu bringen. Jede Stimme ist eigen, ich sehe mich als Blockadenlöser, Mutmacher, Unterstützer, viele sind noch nie auf einer Bühne gestanden.“ Jeanelle schon, sie tanzte in Aufführungen der New York City Dance School. Lampenfieber habe sie kaum, sagt die Zehnjährige. „Das möchte ich auch später mal machen. Am tollsten finde ich die Kampf- und Tanzszenen.“ Getanzt und gesungen habe ihre Tochter schon, seit sie laufen könne, erzählt ihre Mutter Matilda Onyango. Vom Casting für „Tina“ habe sie von einer Freundin gehört.

Anders Makena Siebenwirth: Die Zwölfjährige wurde von ihrer Tanzlehrerin beim TSV Weissach ermutigt, sich zu bewerben. „Eine tolle Erfahrung, das Team ist super“, sagt sie. Das unterstreicht Emilie Carmen Ordoñez Sanchez. „Tanzen, singen, Theater spielen haben mir immer schon Spaß gemacht“, sagt die Elfjährige. Aufgeregt sei sie, aber wie alle glücklich, dass es bald losgehe.

Manche Bewerberinnen sind buchstäblich aus der Rolle herausgewachsen

Emilie, Makena und Jeanelle waren schon beim ersten Casting 2020 dabei – und sind noch an Bord. Andere kamen später hinzu. Manche der 2020 Ausgewählten mussten ausscheiden, weil sie in den vergangenen beiden Jahren stark gewachsen waren. Die Kinder dürfen 30 Mal im Jahr in „Tina“ spielen. „Wir machen stetig Castings“, erläutert Maryanne Kelley. „Die Bewerberinnen sollten idealerweise 1,45 Meter groß sein, maximal 1,52, und zur Rolle passen.“

Die erwachsene „Queen of Rock“ gibt Aisata Blackman. Die stimmgewaltige Niederländerin mit karibischen Wurzeln, die schon Tina Turner am Stage Operettenhaus in Hamburg spielte, war als Überraschungsgast bei der offenen Kinderprobe. „Bei gemeinsamen Proben ist man konzentriert. Daher freue ich mich, meine Mitspielerinnen und ihre Eltern nun eins zu eins kennenzulernen. Ich bin begeistert von so viel Talent.“